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Wirtschaft: An der Börse geht die Angst um

Anleger fürchten steigende Zinsen und Trendwende an den Börsen / ZEW-Index sinkt deutlich

Berlin – Die Stimmung an den Aktienmärkten wird immer schlechter. Am Dienstag brachen die Kurse weltweit ein, der Deutsche Leitindex Dax verlor knapp zwei Prozent und notierte knapp unterhalb der 5300-Punkte-Marke. In den vergangenen vier Wochen ist das wichtigste deutsche Börsenbarometer damit um insgesamt 14 Prozent gefallen – eine Wertvernichtung von 110 Milliarden Euro.

Am Dienstag war an den Börsen von hektischen Verkäufen die Rede. Auch an den asiatischen Börsen schlugen die Anleger panikartig ihre Wertpapiere los. Der japanische Nikkei-Index erlebte mit einem Absturz um 4,1 Prozent auf 14 218,60 Zähler den stärksten prozentualen Verlust an einem Tag. Die Kurse in Südkorea fielen um 2,9 Prozent auf den niedrigsten Stand seit sechs Monaten. Am Dienstagabend ging es dann an der Wall Street in New York weiter. Kurz vor Handelsschluss notierte der Dow Jones fast ein Prozent im Minus.

Dass die Stimmung an den Finanzmärkten in den vergangenen Wochen sehr gelitten hat, zeigt auch der deutliche Rückgang des ZEW-Konjunkturbarometers. Der Index, den das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung am Dienstag in Mannheim vorstellte, brach gegenüber Mai um 12,2 auf 37,8 Punkte ein. Er basiert auf einer monatlichen Umfrage unter rund 300 Finanzanalysten und institutionellen Anlegern und ist bereits zum fünften Mal in Folge gesunken. Dennoch liegt er immer noch knapp über dem historischen Durchschnittswert von 35,3 Punkten. Das ZEW erklärte, für den erneuten Rückgang seien vor allem der hohe Ölpreis, eine erwartete Zinserhöhungspolitik der Europäischen Zentralbank sowie ein starker Euro gegenüber dem Dollar verantwortlich.

Die Angst vor steigenden Zinsen nennen Händler und Analysten auch als wichtigsten Grund für die Talfahrt an den Aktienmärkten. In der vergangenen Woche hatte die Europäische Zentralbank ihren Leitzins um 0,25 Punkte auf 2,75 Prozent angehoben. In den USA hatte Notenbankchef Ben Bernanke überraschend deutlich vor Inflationsrisiken gewarnt und damit indirekt weitere Zinserhöhungen angekündigt. „Der Markt hat erst jetzt realisiert, dass wir die typischen Zeichen einer späten Phase des Konjunkturzyklus haben, mit anziehender Inflation und abnehmenden Wachstumserwartungen“, sagte Matthias Jörss, Chefstratege beim Bankhaus Sal. Oppenheim, dem Tagesspiegel. „Bernankes Ankündigungen wurden als Gefahr gewertet, dass er bei der Zinsanhebung überziehen und sich die Konjunktur abschwächen könnte.“

Händler zeigten sich von den deutlichen Kurseinbrüchen der vergangenen Wochen überrascht. „Mit einer Konsolidierung hatten alle gerechnet, aber nicht in dieser Heftigkeit“, sagte Florian Weber, Vorstand der Wertpapierhandelsbank DKM, dem Tagesspiegel. Es gebe keine fundamentalen Gründe, dass der Markt so stark einbreche, sagte Weber. „Das sind eher psychologische Faktoren.“ Die Anleger hätten die drohende Gefahr steigender Zinsen lange ignoriert und reagierten nun umso heftiger.

Die Experten sind sich uneinig, ob der Kursrutsch nur eine Korrektur innerhalb der langfristigen Aufwärtsbewegung der vergangenen Monate und Jahre sei oder den Beginn einer Baisse, einer langfristigen Abwärtsbewegung, darstellt. „Wir denken schon, dass das eine Trendwende ist“, sagte Markus Reinwand von Helaba Trust. Sal.-Oppenheim-Stratege Jörss sieht dagegen Hinweise für eine Verbesserung. Ein deutliches Zeichen dafür seien die wieder sinkenden Rohstoffpreise. „Wir sehen keinen Grund unser Kursziel von 5800 Punkten für den Dax zu senken“, sagte Jörss. Eher werde man es anheben.

Charttechniker erwarten, dass alle großen Börsenindizes in ihren kurz- und mittelfristigen Abwärtstrends bleiben. Für den Dax gibt die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) 5130 Punkte als Zielzone an. Danach sollte eine Aufwärtsbewegung kommen. Unklar ist aber, ob diese nur eine Korrektur im Abwärtstrend darstellen wird, oder ob dann ein neuer mittelfristiger Aufwärtstrend beginnt. Bevor der Dax nicht den 5570-Punkte-Widerstand nach oben durchbricht, kann aus der Sicht der Charttechniker keine Entwarnung gegeben werden.

S. Kaiser, A. Oswald

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