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Wirtschaft: An der Körpersprache arbeiten Mindestens 30 Prozent der Arbeitnehmer sind introvertiert.

Wie sie im Job besser auf sich aufmerksam machen können.

Früher dachte Ruth Groll, mit ihr stimme etwas nicht. In ihrem Job in einem Autohaus fühlte sie sich unwohl – der ständige Trubel und der Kontakt mit den Kunden überforderten die heute 52-Jährige. „Irgendwann war ich so ausgebrannt, dass ich gekündigt habe“, erzählt Groll. Auch heute, bei der Arbeit in der Buchhaltung einer Firma, kann sie schwer mit ihrem Platz in einem Großraumbüro umgehen. Das ständige Stimmengewirr, knallende Türen und Telefonklingeln strengen sie an. In der Mittagspause isst Groll am liebsten allein. Sie braucht diese Zeit, um Kraft zu tanken.

Ruth Groll ist introvertiert – wie Schätzungen zufolge etwa 30 bis 50 Prozent der Bevölkerung. Introvertierte würden häufig unterschätzt, weil sie ihre Leistungen nicht überzeugend genug kommuniziert, sagt Wissenschaftsmanagerin und Coach Sylvia Löhken, die ein Buch über diesen Wesenszug geschrieben – und darüber, wie man sich damit in der Arbeitswelt zurecht findet: „Leise Menschen - starke Wirkung: Wie Sie Präsenz zeigen und Gehör finden“ (Gabal-Verlag, 24,90 Euro). Auch hätten introvertierte Menschen Probleme damit, sich in Meetings zu Wort zu melden oder spontan vor einer Gruppe zu sprechen, sagt Ute Bölke, Karriereberaterin in Wiesbaden: „Ihnen bereitet es große Schwierigkeiten, wenn sie in der Öffentlichkeit in Situationen geraten, auf die sie sich nicht vorbereiten können.“ Dazu gehöre auch Smalltalk auf Veranstaltungen und Betriebsfeiern.

„Weil die extrovertierten Mitarbeiter meist im Vordergrund stehen, wird ein riesiges Potenzial an guten Ideen und substanziellen Beiträgen verschenkt“, so Löhken. Daran sei auch die Kultur in vielen Firmen schuld, dass lauteren Menschen mehr Gehör geschenkt werde. Doch bis sich daran etwas ändert, können Introvertierte auch selbst viel tun, um im Job stärker auf sich aufmerksam zu machen.

Vor allem die nonverbale Kommunikation sei für stillere Menschen wichtig, um nicht als desinteressiert oder arrogant abgestempelt zu werden, erläutert Stephanie Hollstein, Karriereberaterin aus Düsseldorf. „Ein freundliches Lächeln, ein aufmerksames Nicken oder eine offene Körpersprache – all das kann viel bewirken.“ Außerdem sollten sich introvertierte Personen für solche Zusammenkünfte Ziele setzen. „Man kann sich beispielsweise vornehmen, wenigstens einen Redebeitrag einzubringen“, rät Bölke. Auch für Veranstaltungen, bei denen Netzwerke aufgebaut werden sollen, sei Vorbereitung wichtig, sagt Hollstein. „Wenn man dort bestimmte Personen kennenlernen möchte, kann man diese vorher googeln und sich gemeinsame Themen überlegen.“ Um im Job die besten Leistungen zu bringen, bräuchten introvertierte Personen ein ruhiges Umfeld. Großraumbüros seien ungeeignet. Da introvertierte Personen permanent ihre Umgebung analysieren, seien sie schnell überstimuliert, erläutert Löhken.

Hollstein rät deshalb dazu, entweder dem Chef das Problem zu erklären und sich im Großraumbüro eine ruhigere Nische zu suchen oder sich gelegentlich in einen ungenutzten Konferenzraum zurückzuziehen. Ruth Groll hat stark an ihrer Körpersprache gearbeitet und versucht, häufiger auf andere Menschen zuzugehen. Das übt sie nun in ihrem neuen Nebenjob als Schmuckverkäuferin. Dort muss sie im Umgang mit Kunden: „Ich brauche die ständige Herausforderung, um nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.“ dpa

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