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Wirtschaft: An die Substanz

Von heute an müssen genveränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden. Verbraucher könnten dabei draufzahlen

Berlin . Die neue Kennzeichnungspflicht für Genfood hat ihren Preis: Nach Meinung von Verbraucherschützern und Wirtschaftsforschern wird sie Lebensmittel zwangsläufig teurer machen. „Die Kosten für die Lebensmittelkontrolle werden auf jeden Fall steigen“, sagte Jutta Jaksche, Agrarexpertin der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin, dem Tagesspiegel am Sonntag. „Diese Zusatzkosten werden garantiert auf den Verbraucher abgewälzt.“ Auch Guido Nischwitz vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IOEW) rechnet mit Preissteigerungen von „bis zu zehn Prozent – nicht nur für Ökolebensmittel“. Die Ernährungswirtschaft hält sich bedeckt.

Die Kennzeichnungspflicht, die am heutigen Sonntag EU-weit in Kraft tritt (siehe Kasten), soll Verbrauchern eine Wahlfreiheit zwischen Produkten mit gentechnisch veränderten Zusatzstoffen und konventionellen Lebensmitteln gewährleisten. Zwei Drittel der europäischen Verbraucher lehnen Umfragen zufolge Gentechnik in Lebensmitteln ab. In Ländern wie den USA oder Argentinien, aus denen viele Rohstoffe für Lebens- und Futtermittel stammen, ist bereits der überwiegende Teil der Soja- und Maissaaten gentechnisch verändert. Noch ist nicht eindeutig geklärt, ob genveränderte Produkte gesundheitsschädlich sind oder nicht.

Nicht nur Käufer von Bio-Lebensmitteln müssen wegen der neuen Kennzeichnungspflicht voraussichtlich draufzahlen. „Alle Hersteller müssen den gleichen Aufwand für Transport, Lagerung und Kontrolle betreiben, um sicherzustellen, dass ihre Produkte gentechnikfrei sind“, sagte IOEW-Experte Nischwitz, das beschränke sich nicht nur auf Bio-Produkte. „Es wird ein großes Problem sein, beides auseinander zu halten.“

In den USA gäbe es bereits Überlegungen, transgene und konventionelle Produkte in unterschiedlichen Häfen zu verschiffen, sagt Nischwitz. Denn schon die Lagerung in gemeinsamen Hallen könne zu Verunreinigungen der gentechnikfreien Ware führen. „Die Regeln zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit verpflichten jeden in der Kette, die Verantwortung und gegebenenfalls die Haftung zu übernehmen“, sagt Verbraucherschützerin Jaksche. Darum seien alle Beteiligten sehr vorsichtig.

Doch die Vorsicht ist teuer. Nach Angaben der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch muss zum Beispiel ein Imker, dessen Bienen auch nicht vor Äckern mit genveränderten Saaten halt machen, für eine genaue Untersuchung einer Charge Honig etwa 300 bis 500 Euro bezahlen – und das bei Verkaufspreisen von etwa vier bis sechs Euro für das Glas Imkerhonig.

„Die Kosten werden auf jeden Fall steigen“, sagt Peter Loosen vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Ob diese Kosten auch im Supermarkt ankämmen, sei aber noch offen. Wegen des starken Wettbewerbsdrucks würden sich Produzenten und Handel gut überlegen, die Kosten an den Endverbraucher weiterzugeben. Produzenten wie der Ökobauernverband Bioland sehen allerdings keine Alternative zu einer Preiserhöhung. „Die Kontrollen nehmen immer mehr zu“, sagt Bioland-Sprecher Ralf Alsfeld. „Wer soll das denn sonst zahlen, wenn nicht der Verbraucher?“ Dabei sei der Druck, gentechnikfreie Ware abzuliefern, bei Biobauern noch viel größer als bei konventionellen Produzenten, sagt Alsfeld.

Der Handel will wegen des Widerstands der Verbraucher genveränderte Produkte vorerst möglichst ganz aus seinem Sortiment fern halten. Viele haben nach Auskunft von BLL-Sprecher Loosen vorgesorgt und verwendeten nur gentechnikfreie Zutaten. So sollen sich in den Filialen der Edeka-Gruppe und den Märkten des Metro-Konzerns (Real, Extra) ab Montag keine kennzeichnungspflichtigen Lebensmittel finden. Einen endgültigen Verzicht auf Genfood wollen die meisten Unternehmen aber nicht garantieren. Künftig werde man wohl kaum an kennzeichnungspflichtigen Stoffen vorbeikommen, heißt es im Handel.

Maren Peters

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