zum Hauptinhalt
Deutsch-griechische Säulen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfing den griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou am Dienstag in Berlin.

© dpa

Anerkennung für Athen: Merkel: Längere Laufzeit für Griechenland-Hilfen möglich

Bundeskanzlerin Merkel lobt den Reformwillen der griechischen Regierung – doch die spürt Widerstand von allen Seiten. Zum neunten Mal seit Beginn des Sparkurses lähmt ein Generalstreik das Land.

Berlin/Athen - Bundeskanzlerin Angela Merkel hält es für möglich, dass die EU-Hilfskredite für Griechenland verlängert werden. Nach einem Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou am Dienstag in Berlin betonte sie aber, dass dies nur im Rahmen des Gesamtpakets zur Stabilisierung der Eurozone vereinbart werden könnte. Dieses will die EU bis Ende März beschließen. Dazu gehöre auch der von Deutschland und Frankreich vorgeschlagene Wettbewerbspakt und die Aufgabe, den vorläufigen Euro-Rettungsfonds EFSF „handlungsfähig“ zu machen, sagte Merkel. Zugleich lobte sie den Reformkurs Griechenlands. Es würden alle Vorgaben von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU umgesetzt, denen sich die Regierung in Athen als Bedingung für ein milliardenschweres Hilfspaket unterworfen habe. „Und ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass Griechenland diesen Weg auch fortsetzen wird“, betonte die Kanzlerin. Es gehe nun nicht darum, dass Griechenland zusätzliche Sparanstrengungen unternehme, sondern dass das Land die Vorgaben von IWF und EU weiter umsetze.

Papandreou unterstrich, dass Griechenland alle seine Schulden zurückzahlen wolle und eine Restrukturierung ablehne. Der Reformkurs ziele gerade darauf ab, einen Schuldenschnitt zu vermeiden. „Das Land wird dem deutschen Steuerzahler nicht zur Last fallen“, betonte Papandreou. „Wir werden die Hilfen mit Zinsen zurückzahlen.“ Er begrüßte den von Deutschland und Frankreich angeregten Wettbewerbspakt.

Papandreou war nicht mit gänzlich leeren Händen ins Kanzleramt gekommen: Entgegen den Erwartungen hat Griechenland im Vorjahr sein ambitioniertes Sparziel erreicht. Der Premier führte das Defizit im Haushalt 2010 von 31 Milliarden auf 19 Milliarden Euro oder um sechs Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts zurück. Aber das Land ist noch lange nicht über den Berg. Vergleicht man das Sanierungsprogramm mit einem Marathonlauf, haben die Griechen erst ein Fünftel der Strecke zurückgelegt. Zeichen der Erschöpfung sind bereits unübersehbar.

Mit Sparprogrammen allein wird Griechenland nicht ans Ziel kommen. Das Land braucht vor allem Wirtschaftswachstum. Die Gläubiger dringen deshalb auf Strukturreformen wie die Öffnung des Energiemarktes und die Deregulierung des bisher strikt reglementierten Handels, des Transport- und Dienstleistungssektors. Ein Wirtschaftsforschungsinstitut hat ausgerechnet: Allein die Öffnung der rund 160 „geschlossenen Berufe“, die wie Zünfte vom Wettbewerb abgeschottet sind, könnte über die kommenden vier Jahre ein Wirtschaftswachstum von 13,5 Prozent generieren.

Diese Strukturreformen können allerdings nur umgesetzt werden, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen mitziehen. Davon kann jedoch immer weniger die Rede sein. Erneut lähmt ein Generalstreik das Land. Es ist bereits der neunte seit Beginn des Sparkurses Anfang 2010. Die Gewerkschaften versuchen, die verkrusteten Strukturen der griechischen Wirtschaft zu verteidigen. Eigentlich hätte Griechenland nach den Vorgaben der EU längst seinen Strommarkt öffnen müssen. Aber bisher kuschten alle Regierungen vor der mächtigen Gewerkschaft Genop, die der eigentliche Herr beim staatlichen Strom-Monopolisten DEI ist. Sie droht damit, das Land „in die Finsternis zu stürzen“, wenn die Regierung es wagen sollte, auch nur Teile des Unternehmens zu privatisieren. Seit 1999 hat das Staatsunternehmen die Gewerkschaft mit 25,2 Millionen Euro subventioniert. Allein seit 2004 zahlte das Unternehmen den Gewerkschaftsführern mehr als drei Millionen Euro für Auslandsreisen. Gewerkschaften, die sich nicht aus Mitgliedsbeiträgen, sondern aus der Unternehmenskasse finanzieren, und Arbeitnehmer, die auch während eines Streiks normal weiterbezahlt werden – das dürfte es nur in Griechenland geben.

Immer häufiger steckt Papandreou zurück. So machte die Regierung jetzt bei der Öffnung der „geschlossenen Berufe“ in letzter Minute Apothekern und Rechtsanwälten Zugeständnisse. Auch prominente Regierungspolitiker gehen auf Distanz zum Spar- und Reformkurs. Von den anderen Parteien kann Papandreou ohnehin keine Unterstützung erwarten. Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras, ein Populist, lehnt die Hilfskredite und die Konsolidierungsauflagen ab, hat aber bisher nicht verraten, wie er das Land retten will. (mit rtr)

Zur Startseite