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20 Jahre nach der Einheit: Angleichung der Frustverhältnisse

Gelebte Einheit: Junge Erwachsene aus Ost und West sind mittlerweile gleich unzufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Lage.

Berlin - Ob jemand unzufrieden ist mit seiner Einkommenssituation und seinem Leben insgesamt, ist 20 Jahre nach der deutschen Einheit keine Frage der Herkunft aus Ost oder West mehr, sondern eher eine Frage der Generation. Junge Erwachsene zwischen 17 und 29 Jahren sind heute besonders häufig unzufrieden mit ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation. Und das unabhängig von ihrem Wohnort. Das haben Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin herausgefunden. Das Institut veröffentliche am Donnerstag die Ergebnisse einer Studie auf Basis einer Langzeitbefragung von mehr als 20 000 Menschen. Es sei „die bisher umfassendste Bilanz der Lebensbedingungen in Ost und West“, teilte das DIW mit.

Die Forscher haben seit 1990 alle Altersgruppen befragt und zunächst eine wohl universell gültige Feststellung gemacht: Dass sich die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen nämlich auch auf die allgemeine Lebenszufriedenheit auswirkt. Dabei haben die Forscher beobachtet, dass Ostdeutsche mit ihrem Leben in den 90er Jahren immer zufriedener wurden. Allerdings blieb eine deutliche Lücke zu den Befragten im Westen bestehen. Diese verdienten im Schnitt mehr, waren „glücklicher“.

Die Forscher stellten auch fest, dass Menschen zur Zeit ihres aktiven Erwerbslebens am unzufriedensten sind – im Osten noch stärker als im Westen. Im Zuge der Wirtschaftskrise habe sich die Zufriedenheit der Bevölkerung im Erwerbsalter in beiden Landesteilen erneut stark gesenkt, schreiben die Forscher. Es kam zuletzt quasi zu einer Angleichung der Frustverhältnisse.

Die Umfragewerte der Jüngeren unter 30, die zum Zeitpunkt der Wende Kinder waren oder noch gar nicht geboren, interpretieren die Forscher so: Bei ihnen stehe die unterschiedlich hohe Zufriedenheit zwischen Ost und West eindeutig in Beziehung zu Einkommen, Arbeitslosigkeit und Haushaltskonstellationen. Sie hänge kaum mehr mit pauschalen Ost-West-Unterschieden zusammen. „Wir gehen davon aus, dass die Benachteiligung – und damit auch die Zufriedenheit – zunehmend lokal und regional konzentriert sein wird“, schrieb DIW-Experte Peter Krause in dem Bericht.

Die Studie brachte ferner zutage, dass sich die Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt innerhalb der vergangenen 20 Jahre verringert haben. Die ostdeutsche Bevölkerung hat sich in einen westlich geprägten Arbeitsmarkt integriert. In einem wichtigen Punkt hat sich der Westen auch dem Osten etwas angeglichen: Bei der Erwerbstätigkeit von Frauen, die im Osten traditionell viel höher war. Heute gehen auch mehr westdeutsche Frauen einer Lohnarbeit nach als vor 20 Jahren.

Auch die Formen des Zusammenlebens seien ähnlicher geworden: In beiden Teilen des Landes ist der Anteil der Alleinerziehenden-Haushalte gestiegen, genauso wie die Zahl der kinderlosen und Single-Haushalte.

Auseinander driftet Deutschland wieder stärker bei der Höhe der Einkommen. Seit Mitte der 90er-Jahre hatten sich Ost-Einkommen den Forschern zufolge rasch an das Westniveau angenähert. Seit 2005 aber ist der Abstand vor allem der unteren Ost-Einkommen zu den unteren Einkommen im Westen größer geworden. Ältere Ostdeutsche allerdings, die große Teile ihrer Arbeitszeit in der DDR für die Rente angerechnet bekommen haben, stehen statistisch heute verhältnismäßig gut da.

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