zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Angst ist ein schlechter Ratgeber“

Arbeitsrechtler und Berufsberater empfehlen Schering-Mitarbeitern, jetzt erst einmal abzuwarten

Berlin - Erleichterung, aber auch Sorge: Denn auch wenn nicht Merck, sondern Bayer Schering übernimmt, werden Arbeitsplätze gestrichen. Obwohl Berlin als Pharmastandort ausgebaut und gestärkt werden soll, gibt es Doppelbesetzungen bei Bayer und Schering. Von den 6000 Stellen, die Bayer-Chef Werner Wenning für überflüssig hält, dürften daher einige auch auf Schering entfallen.

Kein Wunder, dass sich viele Schering-Mitarbeiter Sorgen machen, dass es sie treffen könnte. Doch: „Angst ist ein schlechter Ratgeber“, warnen Arbeitsrechtler und Berufsberater. „Derzeit besteht kein Handlungsbedarf“, erklärt Anja Mengel, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Berliner Kanzlei Wilmer Hale. Für die Belegschaft ändert sich nämlich zunächst nichts. Wenn Bayer die Aktienmehrheit an Schering übernimmt und das Pharmageschäft anschließend in einer neuen Gesellschaft gebündelt wird, „gelten die Arbeitsverträge unter dem neuen Mehrheitsaktionär weiter“, sagt Mengel. „Auch bei einem möglicherweise anschließenden Betriebsübergang gibt es Bestandsschutz für die bestehenden Arbeits- und Tarifverträge sowie für die Betriebsvereinbarungen.“

Über Rationalisierungen und Umstrukturierungen verhandeln anschließend Betriebsrat und Arbeitgeber. Sie sprechen über einen Interessenausgleich und den Sozialplan. Die Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze wegfallen, können mit Abfindungen rechnen. Üblich war bisher ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Die Besteuerung von seit Jahresanfang vereinbarten Abfindungen ist für die Arbeitnehmer aber ungünstiger, das hat Einfluss auf die Verhandlungen, weiß Mengel: „Die Betriebsräte versuchen, höhere Abfindungen herauszuschlagen, um die steuerlichen Nachteile auszugleichen.“

Sollten sich Mitarbeiter, die fürchten, Opfer von Stellenstreichungen zu werden, bereits jetzt nach einem neuen Job umsehen? Berufsberater Jürgen Hesse warnt vor Panikmache. „Übereilte Entscheidungen sollte man unbedingt vermeiden“, rät er. Das „Wer-hat-Platz im Rettungsboot-Denken“ sei hier fehl am Platz, meint der Buchautor. In den meisten Fällen lohnt es sich auf jeden Fall, noch abzuwarten – sogar bis zu einem möglichen Sozialplan, rät Hesse. „Nur Arbeitnehmer, die zwischen 30 und 40 Jahre alt sind, mobil sind und Karriere machen wollen, sollten erwägen, schon vorher zu wechseln.“ Grundsätzlich empfiehlt der Berufsberater, „wenn sich eine Übernahme konkretisieren sollte und zudem Arbeitsplatzverluste bevorstehen“, ein Zwischenzeugnis vom Vorgesetzten einzuholen. Im konkreten Fall Schering sei aber „auch das noch zu früh“. SB/hej

-

Zur Startseite