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Wertvolle Wüste. Mitarbeiter der BASF-Tochter Wintershall fahren zu den Produktionsstätten des Konzerns nahe Jakhira in Libyen. Das Land verfügt über die größten Erdölreserven Afrikas.

© dpa

Rohstoffversorgung: Angst ums Öl

Die Unruhen in Libyen treiben den Preis des wichtigsten Rohstoffs. Anleger fürchten ein Übergreifen auf wichtige Exporteure der Region.

Berlin - Der Ölpreis steigt und steigt, internationale Unternehmen ziehen ihre Mitarbeiter aus Libyen ab und die Aktienmärkte verlieren: Die Eskalation der Gewalt in dem Wüstenstaat wirkt sich zunehmend auch auf seine Handelspartner aus. Auch für Deutschland ist der Staat ein wichtiger Öllieferant.

Am Dienstag legten die Ölpreise erneut kräftig zu. Besonders die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) verteuerte sich zeitweise um 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorabend auf 94,49 Dollar pro Barrel (159 Liter). Damit kostete ein Fass so viel wie seit Oktober 2008 nicht mehr. Öl der Nordseesorte Brent stieg um 2,3 Prozent auf 108,18 Dollar je Fass und erreichte damit den höchsten Stand seit September 2008.

Der Preisanstieg ist aber nicht allein auf die Situation in Libyen zurückzuführen. „Die Anleger sorgen sich, dass die Unruhen auch auf andere wichtige Ölexporteure wie Saudi-Arabien, Kuwait oder die Vereinigten Arabischen Emirate übergreifen könnten“, sagt Rohstoffexperte Leon Leschus vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Zudem treibe die starke Nachfrage aus den Schwellenländern und die Erholung der Weltkonjunktur die Preise. Sollten die Unruhen in Libyen, das Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) ist, sich verschärfen und das Land zusammenbrechen, sieht Experte Leschus aber dennoch keine Gefahr für den internationalen Ölmarkt.

Die meisten Staaten, auch Deutschland, diversifizierten durch mehrere Lieferanten ihr Risiko und die Lager in den Industrienationen seien gut gefüllt, sagt Leschus. „Zudem haben die Opec-Staaten freie Förderkapazitäten in Höhe von fünf Millionen Barrel pro Tag, die einen Totalausfall Libyen locker ausgleichen können.“ Das nordafrikanische Land fördert rund 1,6 Millionen Barrel am Tag, 1,1 Millionen davon werden exportiert. Wegen der Unruhen fiel die Förderung um geschätzte 100 000 Barrel am Tag, also sechs Prozent der Gesamtproduktion. Zum Vergleich: Die weltweite Ölnachfrage liegt bei 89 Millionen Barrel pro Tag.

Auch in Deutschland rechnen Experten zunächst nicht mit Engpässen. „Für die deutsche Ölversorgung besteht keine direkte Gefahr durch die politischen Unruhen in Nahost und Nordafrika“, erklärte eine Sprecherin des Mineralölwirtschaftverbandes am Dienstag in Berlin. Libyen ist mit knapp zehn Prozent der Einfuhren Deutschlands fünftgrößter Öllieferant. An erster Stelle steht Russland mit rund 35 Prozent, gefolgt vom Nordseeöl (Großbritannien und Norwegen). Die beiden Länder stellen rund 25 Prozent des in Deutschland benötigten Öls.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) glaubt ebenfalls nicht an Engpässe, zeigte sich aber besorgt über die „Preissteigerungstendenzen“.

Analysten rechnen mit einem weiterem Anstieg, falls sich die Lage in Libyen und der Region verschärft. Experten der Landesbank Baden-Württemberg gehen von einem Preisanstieg bis auf 110 Dollar je Barrel für die Nordseesorte Brent aus. Auch die Internationale Energie-Agentur warnte vor weiter steigenden Ölpreisen. Es gibt aber auch beschwichtigende Töne. „Auch die Opec profitiert nicht von allzu hohen Preisen“, sagt Leschus. Darunter leide die Weltwirtschaft und das führe langfristig wieder zu rückläufigem Ölabsatz. Auch der Delegierte eines Opec-Staates aus der Golfregion sagte, die Organisation habe die klare Haltung, jegliche Produktionslücken zu schließen.

Die Aktienmärkte litten zunächst unter der Situation in Nordafrika. Die meisten europäischen Indizes lagen am Dienstag im Minus. Der deutsche Aktienindex (Dax), der am Vortag um 1,4 Prozent nachgegeben hatte, büßte am Vormittag 0,5 Prozent ein. Am Abend rettete er sich ins Plus und legte 0,3 Prozent zu. Aktien von Unternehmen mit energieintensiver Produktion wie die Chemiekonzerne BASF und Bayer, aber auch Siemens und die Lufthansa lagen am Montag weiter im Minus.

Einige dieser Unternehmen sind auch in Libyen engagiert. Wegen der Unruhen hatten sie aber einen Teil ihrer Mitarbeiter aus dem Land abgezogen. Wintershall, die Öl- und Gastochter der BASF, die Öl- und Gasfördertochter der RWE (Dea), Siemens und der Baukonzern Bilfinger Berger hatten mitgeteilt, dass sie Beschäftigte ausfliegen lassen. Wintershall, das acht Ölfelder in Libyen betreibt, trifft derzeit Vorkehrungen, seine Ölproduktion sicher herunterzufahren. Insgesamt sind nach Angaben des DIHK 30 bis 40 deutsche Firmen direkt in Libyen aktiv.

Dort wird sich die Lage für ausländische Firmen verschärfen, sagt Felix Neugart, Nordafrika-Experte des DIHK. Deutschland ist nach Italien zweitwichtigster Handelspartner Libyens. Als Markt für deutsche Firmen ist das Land bislang aber nicht so bedeutsam wie etwa Saudi-Arabien oder Ägypten: Deutschland lieferte nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums im vergangenen Jahr Waren im Wert vom knapp einer Milliarde Euro in den Wüstenstaat, überwiegend Maschinen, Autos, Lkws und Lebensmittel. Dafür importierte die Bundesrepublik Waren – vor allem Öl – im Wert von 3,1 Milliarden Euro.mit rtr

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