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Einbruch nach der Wahl. An der New Yorker Wall Street sackten in der vergangenen Woche mehr als 80 Prozent der 500 größten börsennotierten Unternehmen ab, die der marktbreite S & P 500-Index widerspiegelt. Foto: AFP

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Anlegen in US-Werten: Warum die Risiken für Dollarpapiere steigen

Mit 16,258 Billionen Dollar stehen die USA aktuell in der Kreide. Gleichzeitig steuert die größte Volkswirtschaft der Welt auf die fiskalische Klippe zu. Eine Rezession könnte die Folge sein - und geschockte Märkte.

Die Quittung des Marktes war eindeutig: Um 520 Punkte oder vier Prozent ging es mit dem Dow Jones seit dem Wahltag in den USA vor gut einer Woche bergab. Der Jahresgewinn ist damit auf gut fünf Prozent zusammengeschmolzen. Mehr als 80 Prozent der 500 größten börsennotierten Unternehmen, die der marktbreite S & P 500-Index widerspiegelt, sackten ab. Die Ursache der plötzlichen Vorsicht scheint klar: Litten die Anleger vor der Wahl noch unter einer Art Aufmerksamkeits-Defizits-Syndrom, so wird seit einer Woche nicht mehr rundweg ignoriert, dass die USA am Rande des finanziellen Abgrunds stehen.

Mit 16,258 Billionen Dollar steht die größte Volkswirtschaft der Erde aktuell in der Kreide, alle 24 Stunden steigen die Schulden um 2,5 bis drei Milliarden Dollar. Während die EU aktuell im Schnitt mit 86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet ist, liegt dieser Wert in den USA inzwischen bei knapp 106 Prozent. Gleichzeitig steuern die USA geradewegs auf die sogenannte fiskalische Klippe zu: ab dem Jahresende könnten Bürgern und Unternehmen Gelder von bis zu 600 Milliarden Dollar entzogen werden, weil Steuererleichterungen auslaufen und Ausgaben automatisch gekürzt werden. Einigen sich die USA bis dahin nicht auf Alternativen, ist eine Rezession unausweichlich, sagen Experten der Rating-Agentur Fitch. Die Märkte würden vermutlich schockartig reagieren.

Was bedeutet dies für Anleger, die US- Aktien oder Fonds im Depot haben oder auch in Rohstoffen investiert sind? „Die Debatte um die Fiskalklippe wird die Aktienmärkte in den USA wie in Europa sicher bis zum Jahresende intensiv beschäftigen“, prognostiziert Tammo Greetfeld von der Unicredit. Der Aktienstratege glaubt deshalb, dass die vielfach erhoffte Jahresendrallye auf beiden Seiten des Atlantiks ausfallen wird. Allerdings seien die meisten Marktbeobachter überzeugt, dass die Klippe in letzter Minute umschifft werde. Andere sind in ihrem Urteil drastischer: David Kostin, Chef-Aktienstratege von Goldman Sachs, empfiehlt den Anlegern, US-Aktien angesichts der unklaren Lage vorerst komplett zu meiden. Der Schweizer Fondsmanager Marc Faber sieht die USA gar in schweres Wasser rutschen. Obama ignoriere das Problem der exzessiven Verschuldung, werde die Investitionsbereitschaft der US-Wirtschaft durch höhere Steuern und mehr Regulierung dämpfen. Der Aktienmarkt in den USA könne um 20 Prozent einbrechen, befürchtet Faber – vielleicht auch erst zum Jahreswechsel, wenn klar sei, welche Einschnitte konkret drohten.

Auch die Experten des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock haben derzeit kein besonders großes Interesse an amerikanischen Aktien. Weil die Entschärfung der Fiskalklippe in einem Kompromiss zumindest leichte Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen bringen könne, sei das für 2013 erwartete Wachstum in Gefahr. Blackrock rät den Anlegern daher, sich in den USA auf sehr defensive Unternehmen zu beschränken, die gleichzeitig seit Jahren steigende Dividenden ausschütten. Daneben empfiehlt Blackrock europäische Aktien, die „mit Discount“ erhältlich seien. Weil unschlüssige oder gar fallende US-Märkte nicht ohne Wirkung auf Dax und Euro-Stoxx bleiben könnten, rät Greetfeld den Investoren dagegen lieber, in den kommenden Wochen insgesamt vorsichtig zu bleiben und abzuwarten, „wie die Sache in den USA ausgeht“. Auch von den Aktien-Profis sei eher Zurückhaltung zu erwarten.

Allianz Global Investors sieht jedoch nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit dafür, „dass die USA von der Klippe stürzen“. Die Krise könne der Anleger also dafür nutzen, sich nach Unternehmen umzusehen, die stabil wachsen, potente Finanzen aufweisen und auf konjunkturelle Schlechtwetter-Phasen weniger empfindlich reagierten. „In der Vergangenheit haben in Zeiten einer finanziellen Repression Aktien mit hohem Cashflow, stabilen Erträgen und langfristigem Wachstum am besten abgeschnitten", weiß Scott Migliori von Allianz Global Investors USA.

Auch Volkswirt Klaus Deutsch von der Deutschen Bank Research glaubt, dass eine Einigung im Gerangel um die fiskalische Klippe einen positiven Impuls auslösen könnte. Denn bisher hielten viele Unternehmen Gelder zurück, verschöben Investitionen aus Unsicherheit über zukünftige Belastungen.

Wer den großen US-Indizes neue Allzeithochs zutraut, sich selbst aber die Auswahl der passenden Papiere nicht, kann sich auch einem Fondsmanager anvertrauen, der beispielsweise in US-Values investiert, also werthaltige Aktien. Zu den besten Fonds gehörten in den vergangenen drei Jahren der JPM US Value X (Wertpapierkennnummer A0DPDP), der seit 2009 jedes Jahr im Schnitt (in Dollar) 18 Prozent einfuhr und derzeit vor allem auf Pharma- und Energiefirmen setzt. Ähnlich gut entwickelt haben sich der KBC Equity Fund High Dividend North America (A0JKNV) oder der Federated Strategic Value Equity (A0LCTX). Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist aber keineswegs ein Hinweis auf künftige Erfolge.

Gerade deutsche Anleger investieren gerne in Gold und andere dollarnotierte Rohstoffe. Sollten die USA ihre expansive Geldpolitik bei sehr niedrigen Zinsen fortsetzen und sollte dies stärker in den Fokus der Anleger geraten, so könnte dies dem Goldpreis nützen. Allerdings bleibt für Euro-Anleger ein Währungsrisiko: Fällt der Dollar, so müssen sie das Minus von der Wertentwicklung des Rohstoffs (oder der Aktie) abziehen, wenn wieder in Euro zurückgetauscht wird.

Bereits kurz nach der Wahl geriet der US-Dollar kräftig unter Druck: Anleger befürchteten, dass der Wert des Dollars verwässert werden könnte, sollte die US- Notenbank weiter massiv Geld drucken. Industriemetalle wiederum könnten dann weiter an Wert verlieren, wenn die Konjunktur in den USA in Folge von Sparmaßnahmen ins Rutschen geraten sollte und China sich umgekehrt nicht rasch erholt. Bei den Energiepreisen gilt: Dass die USA derzeit eine energiepolitische Rolle rückwärts erlebt und vermutlich in wenigen Jahren zum weltgrößten Produzenten von Öl und anderer fossiler Brennstoffe aufsteigen, könnte die Preise von Öl und Gas unter Druck setzen.

Fazit: Die Risiken von Dollarpapieren aller Art, ob Aktien, Anleihen oder Rohstoffe, sind deutlich gestiegen.

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