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ANLEGER Frage: An Björn Jesch Chefinvestmentstratege für vermögende Privatkunden der Deutschen Bank

Wie gefährlich ist die Schuldenkrise?

Ein Schuldenschnitt Griechenlands rückt näher – mit unabsehbaren Folgen für die betroffenen Banken. Wie bedrohlich ist die Situation für die deutschen Geldhäuser und auf welches Szenario müssen sich die Anleger vorbereiten?

Mit fast 166 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist die staatliche Schuldenlast Griechenlands erdrückend hoch und es zeichnet sich immer mehr die Notwendigkeit eines substantiellen Schuldenschnitts ab. Im ersten Quartal dieses Jahres hielten deutsche Banken griechische Staatsanleihen mit einem Volumen von 14,1 Milliarden Euro. Die Position ist etwas höher als das Anlagevolumen französischer Banken, das bei 13,4 Milliarden Euro liegt. Insgesamt halten ausländische Banken etwa 45 Milliarden Euro an griechischen Anleihen.

Ein Kapitalschnitt der griechischen Staatsschuld hat daher auch unmittelbare Auswirkungen auf europäische Banken. Sie müssten einen Teil der griechischen Staatsanleihen abschreiben, und das ist ein Szenario, das beim Bankenstresstest im Sommer nicht ausreichend simuliert wurde. Um das Risiko einer Bankenkrise gering zu halten und die Geldhäuser in die Lage zu versetzen, diese Abschreibungen zu verkraften, soll eine Re-Kapitalisierung der Institute vorangetrieben werden. Voraussichtlich Ende Oktober, spätestens aber bei dem G-20-Treffen Anfang November in Cannes, soll ein detaillierter Plan vorgestellt werden.

Zwar zeichnen sich mit diesen Plänen konsequente politische Schritte zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise ab. Die Ergebnisse der politischen Verhandlungsprozesse sind aber noch völlig offen. Sowohl der Bankensektor als auch die Anleger sind in diesem Umfeld erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt. Der politische Nachrichtenfluss wird gleichermaßen die Finanzmärkte und den Bankensektor schwankungsanfällig halten.

Insgesamt empfehlen wir Anlegern daher in den kommenden Wochen eine defensive Haltung. Aufgrund der hohen Volatilität in fast allen Anlageklassen ist es aber zur Zeit sehr schwer, einen sicheren Hafen auszumachen. Sogar an den Rentenmärkten in den USA und in Deutschland scheint bei langlaufenden Anleihen Vorsicht angebracht, da das allgemeine Renditeniveau sehr niedrig und anfällig für Rückschläge ist. Anleihen mit zweifelhaften Länderrisiken sollten gemieden und die Liquiditätsbedingungen von Unternehmensanleihen kontinuierlich überprüft werden.

Bei Aktien sollte der Fokus auf weniger riskanten Titeln liegen, zum Beispiel auf dividendenstarken Titeln in nicht-zyklischen Sektoren. Für den Moment bleibt zu hoffen, dass die Dynamik des politischen Verhandlungsfortschritts anhält und in den einzelnen Ländern die notwendigen Anpassungsprozesse fortgeführt werden. Hoffnungen auf eine baldige und nachhaltige Beruhigung der Kapitalmärkte sind vermutlich verfrüht.

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An Björn Jesch

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