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ANLEGER Frage: Trügerische Hoffung

Oliver Borgis, Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank, warnt vor zu großem Optimismus an den Aktienmärkten.

Die Aktienmärkte haben in den vergangenen Wochen auf steigende Unternehmensgewinne und ein deutliches Anziehen der Konjunktur schon im laufenden Jahr gesetzt. Sind die Bewertungen angesichts der unsicheren Aussichten für die Konjunktur gerechtfertigt?

Die Berichtssaison zum ersten Quartal 2010 hat begonnen, und wichtiger als die Aussage zu den vergangenen drei Monaten sind erneut die daraus abzuleitenden Erwartungen für die kommenden Quartale. Zuletzt haben die Aktienmärkte ihre Gewinnerwartungen nach oben geschraubt. Für die Dax-Werte wird im Durchschnitt eine Gewinnsteigerung von 39 Prozent im Jahr 2010 angesetzt und für das Jahr 2011 auf ein Plus von weiteren rund 20 Prozent spekuliert. Das ist in der Tat sehr optimistisch.

Erstaunlicherweise sind unter den Aktien, die die kräftigsten Kursanstiege hinlegten, besonders viele, die derzeit noch Verluste schreiben. Die Lage ist also geprägt von der Hoffnung auf eine fulminante Kehrtwende. Tatsächlich hat sich die Ertragslage der meisten Unternehmen zwar stabilisiert und es überwiegen die positiven Gewinnrevisionen. Im weiteren Jahresverlauf ist aber wohl eher wieder mit vermehrten Revisionen nach unten zu rechnen. Jedenfalls ist die Anfälligkeit für Enttäuschungen sehr hoch.

Das verheißt auch der Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage. Die Konjunktur steigt angesichts der niedrigen Kapazitätsauslastung schlichtweg zu langsam, um einen Investitionszyklus auszulösen. Bei früheren Rezessionen war nach einem Jahr – meist früher – der Ausgangsstand der Wirtschaftsleistung wieder erreicht. Bei einer Kapazitätsauslastung von über 80 Prozent wurde wieder in Maschinen und Anlagen investiert. Diesmal ist die Konjunktur um einmalige sieben Prozent eingebrochen. Die Kapazitätsauslastung fiel von 88 auf 71 Prozent. Davon ist ein Jahr nach dem Tiefpunkt nicht einmal ein Viertel aufgeholt. Die Unternehmen haben also freie Kapazitäten, aus denen sie Nachfragesteigerungen bedienen können, ohne Erweiterungsinvestitionen durchzuführen. An dieser Stelle wird die Kette von Staats- und Exportimpulsen zu Investitionen sowie Arbeitsplätzen und Konsum unterbrochen. Das Räderwerk greift für einige Zeit ins Leere.

Die Aktienmärkte dagegen haben rund zwei Drittel ihres krisenbedingten Rückgangs wieder zurückgewonnen. Damit haben sie eine steile Konjunkturerholung vorweggenommen. Ich glaube nicht, dass sich das als gerechtfertigt erweisen wird. Zeigen wird sich das aber wahrscheinlich erst nach der konjunkturellen Frühjahrsbelebung, die wir jetzt erst einmal erwarten.

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