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Wirtschaft: Anleger sind doppelt gebeutelt - erst ist das Geld futsch, dann schlägt noch der Fiskus zu

Die Betrüger auf dem Grauen Kapitalmarkt blasen zum großen Halali, warnt Volker Pietsch von der Verbraucherzentrale Berlin, vor atypisch stillen Beteiligungen: Wer darauf eingeht, ist an den Verlusten eines Unternehmens beteiligt. Gauner können fast ungestört agieren, denn die Vermittlung von Beteiligungen unterliegt nicht der Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen.

Die Betrüger auf dem Grauen Kapitalmarkt blasen zum großen Halali, warnt Volker Pietsch von der Verbraucherzentrale Berlin, vor atypisch stillen Beteiligungen: Wer darauf eingeht, ist an den Verlusten eines Unternehmens beteiligt. Gauner können fast ungestört agieren, denn die Vermittlung von Beteiligungen unterliegt nicht der Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Auch bei den Initiatoren von Steuersparmodellen wie Geschlossenen Immobilienfonds wird jetzt für das Jahresendgeschäft getrommelt.

Wenn später aus einer "lukrativen Anlage" ein Flop wird, ist nicht nur das Geld futsch - der Fiskus kassiert trotzdem. Er besteuert sogar Gewinne, die es gar nicht gegeben hat. So ging es etwa Ambros-Anlegern. Und der Bundesfinanzhof (BFH) gab den Finanzämtern Recht (Urteile vom 22. Juli 1997 - VIII R 12/96, VIII R 57/95). Die Einlagen der Anleger seien typische stille Beteiligungen: Sie hätten die Wahl gehabt, sich Gewinne auszahlen zu lassen. Verzichteten sie, gelte der Gewinn als zugeflossen. Dass "ein Anspruch des gutgläubigen Anlegers gar nicht bestand, weil das Unternehmen die Gewinne nur vorspiegelte", ist egal.

Die letzte Hoffnung: Die Finanzgerichte (FG) Nürnberg (Aktenzeichen III 151/98) und Baden-Württemberg (Aktenzeichen 7 K 135/98). Sie sollen entscheiden, ob ein Finanzamt gefälschte Buchführungsunterlagen als Besteuerungsgrundlage heranziehen darf. Markus Dendl von der Regensburger Steuerberatungskanzlei Reinhold Popp verneint dies mit Hinweis auf Paragraph 158 Abgabenordnung (AO). Gefälschte Buchführungsunterlagen seien zu verwerfen. Daraus ergebe sich, dass der Gewinn nach Paragraph 162 AO zu schätzen sei. Ergebnis im Fall Ambros: "Null."

Das Urteil dürfte auch die geprellten typischen stillen Gesellschafter von Hanseatische AG (HAG) und Euro Kapital AG interessieren. Denn ihnen droht ebenfalls eine Nachversteuerung von Gewinnen, die nur auf dem Papier standen. Die atypisch stillen Teilhaber wissen bereits, was ihnen blüht. Das Betriebsstättenfinanzamt Hamburg Harburg hat die anfänglichen Verlustzuweisungen der Euro Kapital wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht Ende 1998 nachträglich aberkannt und dies den Wohnsitzfinanzämtern mitgeteilt. Es beruft sich auf ein BFH-Urteil vom 12. Dezember 1995 (VIII R 59/92): "Bei Verlustzuweisungsgesellschaften ist zu vermuten, dass sie bei ihrer Gründung keine Gewinnerzielungsabsicht haben, sondern lediglich eine spätere Gewinnerzielung in Kauf nehmen." Das Gegenteil habe Euro Kapital nicht nachgewiesen.

Jürgen Deeg vom Verein der Hanse/Euro-Geschädigten glaubt, dass Euro Kapital zu wenig Zeit blieb, Gewinnerzielungsabsicht und Erreichen des Totalgewinns nachzuweisen. Der Haken: Die anfänglichen Verlustzuweisungen des Finanzamtes standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Spätestens mit dem Konkursantrag war klar, dass es keinen Totalgewinn mehr geben würde.

Auch bei Geschlossenen Immobilienfonds besteht die Gefahr der nachträglichen Aberkennung von Verlusten. Zwar räumt das Bundesfinanzministerium in einem Erlass einen Zeitraum von 100 Jahren für das Erreichen des Totalgewinns ein (IV B3-S-2253/29/92). Doch ist die Investitionsdauer erkennbar kürzer, muss der Totalgewinn in der kürzeren Periode erreicht werden. Anhaltspunkte dafür liefern vorzeitige Kündigungs- und Anteilsandienungsrechte. Außerdem gilt: Je höher Fremdfinanzierung und weiche Kosten sind, desto schwieriger ist es, dem Finanzamt die eigene Gewinnerzielungsabsicht nachzuweisen.

Anleger, deren notleidende Fonds saniert werden, sollten sich ebenfalls nicht zu früh freuen. Womöglich drohen auch ihnen Steuernachzahlungen. Ein wesentliches Kriterium: Werden mit dem Fonds Einkünfte aus Gewerbebetrieb (gewerblich geprägt) oder aus Vermietung und Verpachtung (VuV) erzielt? Angenommen, die Sanierung erfolgt über einen Darlehensverzicht, dann würde dieser bei einem gewerblich geprägten Fonds zu einer steuerpflichtigen Betriebseinnahme führen, erläutert Markus Böhl, Steuerberater im Berliner Büro der Arthur Andersen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft mbH. Handele es sich dagegen um einen VuV-Fonds, liege der Vorteil durch einen Darlehensverzicht in der privaten Vermögenssphäre des Anlegers und führe grundsätzlich nicht zur Besteuerung. Jedoch bleibe ein Restrisiko.

Dieses Restrisiko könnte Anleger treffen, die von Darlehensverzichten bei Fonds der HAT Hanseatische Anlage Treuhand Secura Vermögensberatungsgesellschaft mbH & Co. profitieren. Die Fonds werden von einem Münchener Betriebsstättenfinanzamt geprüft. Die Oberfinanzdirektion München hat sich "noch keine abschließende Rechtsmeinung dazu gebildet", ob ein Darlehensverzicht zur Besteuerung führt.

Rechtsanwalt Claus Hermuth, der diesen Verzicht ausgehandelt hat, versichert, die Frage der Besteuerung sei im Vorfeld der Verhandlungen von kompetenten Steuerberatern geprüft und verneint worden. Dazu Steuerexperte Böhl: Reduziere eine Bank im Zuge der Sanierung künftige Zinszahlungen, mindern sich die Aufwendungen und es entstehen keine steuerpflichtigen Einnahmen. Dies aber mit der Folge, dass die steuerlichen Verlustzuweisungen dann eben auch geringer ausfallen. Selbst wenn ein Darlehensverzicht Steuerzahlungen zur Folge hätte, könnte dies das kleinere Übel sein. Alternativ stünde eine Klage auf Rückabwicklung an.

Der Initiator HAT befindet sich im Konkurs. Ihn zu verklagen, wäre nicht sinnvoll. Unabhängig von der Erfolgsaussicht stünde einem Anleger jedoch nur der verbleibende Betrag nach Abzug der gewährten Steuervorteile zu. Ein Beispiel: Die Beteiligungssumme beträgt 100 000 Mark, die Steuerrückerstattungen aufgrund der Verlustzuweisungen belaufen sich auf 50 000 Mark. Dann steht dem Anleger also lediglich ein Betrag von 50 000 Mark zu. Nach gegenwärtiger Rechtsprechung bleiben dem Anleger die Steuervorteile erhalten.

Reiner Reichel

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