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Antifalten-Spritze: Pharmafirma Merz will in den Botox-Markt

Cher soll es tun, Madonna auch, Cliff Richard gab es zu: Gegen die Falten auf der Stirn hat er sich Botox spritzen lassen. Das Geschäft mit dem Nervengift Botulinum-Toxin Typ A boomt.

Das Mittel gegen Falten verspricht gute Umsätze, und zwar nicht nur in Hollywood.

Am Mittwoch verkündete Allergan-Chef David Pyott für sein Produkt Botox eine Umsatzsteigerung um 23 Prozent auf rund 1,2 Milliarden Dollar. Das französische Konkurrenzprodukt Dysport vom Pharmahersteller Ipsen wächst ebenfalls stark und legte im vergangenen Jahr um knapp 14 Prozent auf 128 Millionen Euro zu.

In Frankfurt bereitet sich das Familienunternehmen Merz auf den Start seines Botulinum-Toxin-Produktes Xeomin im weltweiten Markt für Schönheitsbehandlungen vor: Das Werk in Dessau wird gerade ausgebaut. Die Firma, die durch ihre Spezialdragees bekannt wurde, hat im therapeutischen Bereich für Xeomin bereits in verschiedenen europäischen Ländern die Zulassung erhalten: Hierzulande darf das Produkt bislang bei Lidkrampf und Schiefhals gespritzt werden. Für den Einsatz bei ästhetischen Behandlungen laufen die Zulassungsverfahren. „Xeomin ist für uns ein strategisch wichtiges Produkt“, heißt es bei Merz. Das Unternehmen, das zuletzt 536 Millionen Euro umsetzte, will in dem Milliardenmarkt der nicht-operativen ästhetischen Medizin eine führende Position erreichen.

Botulinum-Toxin ist ein hochgefährliches Gift, das entsteht, wenn Wurst verdirbt. Wenige Teelöffel würden reichen, um die Bevölkerung von ganz Deutschland zu vergiften. Gezielt in die Muskulatur gespritzt, blockiert es den Informationsaustausch mit den Nerven und verhindert so, dass sich der Muskel zusammenzieht. Muskelzuckungen nach Schlaganfällen beispielsweise können so für Monate entspannt werden.

Bei der Anwendung gegen Falten im Gesicht werden die darunterliegenden Muskeln ebenfalls praktisch ausgeschaltet. Das hat dem Präparat die Kritik eingebracht, für maskenhafte Gesichter zu sorgen. In Hollywood sollen die Regisseure bei der Besetzung von Rollen die „Botox-Opfer“ mittlerweile vorab aussortieren, weil sie ihre Gesichter nicht mehr richtig bewegen können. Außerdem birgt Botox – falsch dosiert oder gespritzt – das Risiko von Lähmungserscheinungen, die unter Umständen auch zum Tod führen können. Vergangene Woche erst hat eine Verbrauchergruppe eine Petition eingereicht, dass Warnhinweise über mögliche Nebenwirkungen künftig auf den Botox-Packungen deutlicher herausgestellt werden sollen.

Das alles schadet dem Erfolg des Produktes bislang aber nicht. Allergan-Chef Pyott schätzt das Wachstumspotenzial für die Antifalten-Spritze weiter als enorm ein. Schließlich wird die Babyboomer-Generation älter und möchte dabei jünger aussehen. Laut Allergan-Marktforschung denken in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien zurzeit 5,5 Millionen Frauen aktiv darüber nach, sich künftig Botox spritzen zu lassen. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund eine Million solcher Behandlungen durchgeführt, ein Anstieg um etwa zehn Prozent gegenüber 2006, schätzt Christian Gapka, Vorsitzender der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Pro Spritze werden zwischen 250 und 400 Euro veranschlagt. In den USA liegt die Zahl der Botox-Behandlungen nach Angaben der Schönheitschirurgen-Vereinigung bei mehr als drei Millionen.

Der Ausbau des kosmetischen Geschäfts könnte auch dem medizinischen Einsatz des Toxins nutzen. Es hat gute Chancen, in der Urologie gegen Harndrang eingesetzt zu werden. Auch eine mögliche Behandlung gegen Migräne ist – trotz vieler negativer Studienergebnisse von Allergan – noch nicht zu den Akten gelegt.Maike Telgheder (HB)

Maike Telgheder (HB)

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