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Wirtschaft: Arbeiten ohne Druck

Das papierlose Büro gilt als gescheiterter Traum der Computer-Ära. Berliner Firmen probieren es trotzdem

Wenn der Tempelhofer IT-Unternehmer René Zimmer einem Dokument handschriftlich etwas hinzufügen möchte, greift er zum Stift – obwohl vor ihm gar kein Papier liegt. Die Rechnungen, Akten und Notizen erscheinen allein auf seinem Monitor. Und doch kann Zimmer schreiben, zeichnen und radieren, ohne Tastatur und Maus zur Hand zu nehmen. Möglich machen dies ein „digitaler Stift“ und berührungsempfindliche Bildschirme. Das Ausdrucken und Kopieren von Dokumenten ist in der Firma mit 18 Mitarbeitern tabu; der einzige Drucker dient dem schriftlichen Versand von Rechnungen.

Noch ist das papierlose Büro des 42-Jährigen wohl das einzige in Berlin. Doch nicht nur er glaubt angesichts des technischen Fortschritts an das „elektronische Dokumentenmanagement“, wie Fachleute den Verzicht auf Papierberge nennen. Die Akzeptanz für virtuelle Akten wächst, seit Manager und Außendienstler immer öfter mit iPads, Tablet-Computern und Smartphones arbeiten. Erst seit Jahresbeginn existiert Zimmers Firma „info-e-motion“, die digitale Komplettlösungen anbietet und mit der Berliner Hauptgeschäftsstelle des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) soeben den ersten Vertrag geschlossen hat – wenn auch zunächst nur für einen Arbeitsplatz.

Das elektronische Büro „hat zunehmend eine Chance“, sagt Ortwin Wohlrab vom regionalen IT-Verband SIBB. Lange habe es „nicht die richtigen Visualisierungsgeräte gegeben“, nun „hakt es noch beim Benutzer“. Beides ändere sich aber allmählich. Insbesondere hätten Anwender, die Tablet-Computer benutzen, Vertrauen in die Sicherheit und ständige Verfügbarkeit ihrer Daten gewonnen. Hilfreich sei auch der Trend zum „Cloud Computing“, bei dem IT-Technik in externe Rechenzentren ausgelagert werde. Damit seien „die Daten ohnehin an diversen Stellen gespeichert und weltweit verfügbar“.

Einen weitgehenden, wenn auch nicht kompletten Verzicht auf Papier streben viele Berliner Firmen an. Dazu gehört die Deutschlandzentrale des Pharmakonzerns Pfizer mit 2000 Mitarbeitern. Laut Sprecher Martin Fensch läuft der Faxempfang und -versand per E-Mail, und eingehende Rechnungen sowie die Personalakten würden „elektronisch abgelegt“. Urlaubs- und Dienstreisenanträge, Spesenrechnungen und Bestellungen von Büromaterial wickele man über das hauseigene Intranet ab. Selbst bei Schulungen bekommen die Teilnehmern keine Mappen mehr, alle Informationen stehen in einem elektronischen Portal. Es ist nicht verboten, etwas auszudrucken. Allerdings funktioniert dies nur, wenn der Mitarbeiter den Druckauftrag mit seiner persönlichen Chipkarte am Gerät nochmals bestätigt. Außerdem wird grundsätzlich in Schwarz-Weiß und beidseitig gedruckt.

Zum guten Ton gehört Papiervermeidung natürlich bei Abfall- und Recyclingunternehmen. Alba habe „den intranetbasierten Urlaubsantragsprozess oder die elektronische Personalakte“ eingeführt, sagt Sprecherin Susanne Jagenburg. „Unsere Mitarbeiter begrüßen das sehr“, schließlich hätten sie ein besonderes „Bewusstsein für die Endlichkeit von Ressourcen“. Ein komplett papierloses Büro sei jedoch „auch für uns noch nicht realistisch“.

In den landeseigenen Stadtreinigungsbetrieben kümmert sich laut BSR-Sprecher Bernd Müller die interne Umweltberatung darum, das Bewusstsein der Mitarbeiter für Ressourcenschonung zu schärfen. Über das Intranet werden Aufrufe und Tipps verschickt. Auch Aufkleber auf den Druckern zeigen, wie sich der Papiereinsatz verringern lässt. So sollen Kopien doppelseitig gefertigt und möglichst verkleinert werden, damit sie auf wenige Blatt Papier passen. Missglückte Ausdrucke sollen als Schmier- oder Konzeptpapier dienen. Außerdem „benutzen wir zu 90 Prozent Recycling- und Altpapier“, sagt Müller.

Die Dienstleistungsgruppe Dussmann führte elektronische Personalakten bereits 1999 ein und erarbeitet zurzeit ein „Nachhaltigkeitskonzept“, das unter anderem die digitale Rechnungserfassung vorsieht. Die Wohnungsbaugesellschaft Degewo begann im Februar damit, mehr als 80 000 Mieterakten zu digitalisieren. Dagegen betont der Klinikkonzern Vivantes, dass „bei Patientenakten die Papierform Vorschrift ist“. Immerhin werden eingehende Rechnungen bereits eingescannt und elektronisch weiterverarbeitet.

Wie umweltschonend und kostensparend ein papierarmes Büro ist, hängt von mehreren Faktoren ab: Ist die nötige Technik schon weitgehend vorhanden, fällt die Ökobilanz viel besser aus als mit neuen Geräten, welche die Umwelt schon bei ihrer Herstellung belasten. Und nicht zuletzt kommt es auch auf den Stromverbrauch der jeweiligen Computer an. Bis heute hält sich ein Bonmot, das dem damaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer zugeschrieben wird: „Das papierlose Büro ist genauso weit weg wie das papierlose Klo.“ IT-Fachmann René Zimmer sagt: „Es konnte nicht funktionieren, weil man den Menschen den Stift genommen hat – Tastatur und Maus reichen nicht.“ Deshalb sieht er Marktchancen für sein System mit dem digitalen Stift, das mit 7000 Euro pro Arbeitsplatz nicht billig ist, sich aber nach etwa zwei Jahren amortisieren soll.

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