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Wirtschaft: Arbeitgeber haben Angst vor Lohneuphorie

Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser bietet etwa drei – und lehnt vier Prozent Lohnerhöhung ab / IG Chemie droht mit harter Runde

Berlin – Die Arbeitgeber befürchten in diesem Frühjahr eine „politisch motivierte Lohneuphorie“. Martin Kannegiesser, Präsident von Gesamtmetall, hat eine „Stimmungswelle“ im Land ausgemacht, die Themen wie „Gerechtigkeit, Kaufkraft und Unterschicht“ beinhalte und sich „über die Tarifpolitik ergießt“. Wegen dieser Stimmungslage, so Kannegiesser Ende der vergangenen Woche während eines Pressegesprächs in Potsdam, kämen die Argumente der Arbeitgeber in großen Teilen der Bevölkerung „wenig glaubwürdig“ rüber. Konkret geht es um die Warnung vor einer deutlichen Lohnerhöhung in diesem Jahr.

Auch in der Chemieindustrie steuert die Tarifrunde für die 550 000 Beschäftigten möglicherweise auf eine Konfrontation zu. Die Arbeitgeber appellierten an die Gewerkschaft IG BCE, einem niedrigen Tarifabschluss zuzustimmen, da man ansonsten die Flucht von Arbeitgebern aus dem Branchentarif fürchte. Dem widersprach IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt im „Handelsblatt“: „Wer auf Arbeitgeberseite mit dem Gedanken an einen Ausstieg aus dem Flächentarif spielt, muss wissen, dass wir uns solche Betriebe notfalls einzeln vornehmen.“

Kannegiesser warnte, die euphorischen Erwartungen an die Konjunktur fortzuschreiben. Im April 2006, als sich Gesamtmetall und IG Metall auf einen neuen Tarifvertrag einigten, sei es absehbar gewesen, dass die Konjunktur über das gesamte Jahr gut laufen werde. 2007 werde zwar „auch ein gutes Jahr, aber ein Stück weit schwächer als 2006“. Zur Begründung führte er die höheren Rohmaterialpreise, die Aufwertung des Euro gegenüber Dollar und Yen sowie das schwächere Wachstum in den USA an. Als Konsequenz müsse der Tarifabschluss unter dem Niveau des letzten Jahres liegen, schlussfolgerte der Gesamtmetallpräsident.Vor einem Jahr war die IG Metall mit der Forderung nach fünf Prozent in die Verhandlungen gegangen, in diesem Jahr sind es 6,5 Prozent. Damals lag der Abschluss bei drei Prozent plus einer Einmalzahlung.

Kannegiesser schlägt vor, den Arbeitnehmern eine „Grundkomponente“ zu zahlen, „die für alle Zeiten gilt“. Also eine prozentuale Erhöhung, die unter drei Prozent liegt und dauerhaft in die Lohntabelle eingeht. Zum Zweiten schlägt der Gesamtmetallpräsident einen „Konjunkturbonus“ in Form einer Einmalzahlung vor sowie schließlich eine weitere „betriebliche Differenzierungsmöglichkeit“ wie eben im letzten Jahr die schwankende Einmalzahlung. „Fast der ganze Mittelstand will das weiter haben“, sagte Kannegiesser.

Anders als in den Tarifrunden der vergangenen Jahre werde es 2007 keine qualitativen Themen geben. Stattdessen erwartet der Arbeitgeberpräsident „einen ganz normalen Verteilungsprozess“ zwischen den Tarifparteien. Da aber noch immer rund 18 Prozent der Metallfirmen in den roten Zahlen steckten, sei Zurückhaltung angebracht. Und obwohl die Metallfirmen im vergangenen Jahr Weltmarktanteile gewonnen hätten, lägen die Lohnstückkosten noch immer um rund ein Fünftel über dem EU-Durchschnitt. Entsprechend maßvoll müsse die Lohnerhöhung ausfallen.

Dem widersprechen einige Wirtschaftswissenschaftler um den früheren Sachverständigen Jürgen Kromphardt: Aus der Addition von gesamtwirtschaftlichem Produktivitätswachstum (1,4 Prozent) und Inflation (zwei Prozent) ergebe sich ein Lohnerhöhungsspielraum von rund 3,5 Prozent für alle Wirtschaftsbereiche. Da es der Metallindustrie deutlich besser gehe als dem Rest der Wirtschaft, sei ein Anstieg „deutlich oberhalb von vier Prozent vertretbar und vernünftig“. Das sieht Arbeitgeberchef Kannegiesser anders. Er fürchtet in diesem Fall den Austritt von weiteren Firmen aus dem Verband und damit ein Absinken der Tarifbindung.

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