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Arbeitgebertag: Der Genosse und die Krise

Kritik an den Banken: Auf dem Arbeitgebertag misst sich Sigmar Gabriel mit Angela Merkel.

Berlin - Die Finanzkrise, sie ist ein sperriger Zeitgenosse. Wer sich mit ihr beschäftigt, stößt auf allerlei trockene Vokabeln: Banken-Notfallfonds, Bilanzierungsregeln, Ratingagenturen, Kreditklemme. Sozialdemokraten auf der Suche nach weggelaufenen Wählern dürften mit derlei Begriffen kaum einen Blumentopf gewinnen. Sigmar Gabriel, der neue Chef der SPD, hat es am Dienstag trotzdem probiert. Und für seinen Versuch sogar artigen Applaus bekommen.

Das verwundert umso mehr, als die Zuhörer an diesem Tag nicht eben zu seiner Stammklientel gehören. 1000 Anzugträger haben sich auf dem diesjährigen Arbeitgebertag in einem Berliner Luxushotel versammelt, um zu prüfen, welchem der Parteivorsitzenden sie am ehesten trauen. Das Rennen ist bereits entschieden, bevor Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel den ersten Satz gesprochen hat – nicht ein Lobbyist hat bislang geklagt, dass ihm die Regierungskombination aus Gelb und Schwarz Schmerzen bereitet. Merkel genügt es, eine ihrer Standardreden zu reden: ein bisschen Klage über die Krise hier, ein bisschen Eigenlob dort, dazu noch ein bisschen verbale Kuschelei mit den Wirtschaftsleuten. Fertig.

Frank-Walter Steinmeier hatte es auf der letzten großen Unternehmerversammlung im Sommer geschafft, einen solchen blutleeren Auftritt der Regierungschefin noch zu unterbieten. Mit diesem Vorsatz ist Gabriel nicht gekommen. Von Beginn an ist klar, dass hier einer eine Wegmarke setzen will. Vielleicht, weil ihm der Spitzname „Siggi Pop“ noch anhaftet aus seiner Zeit als SPD-Musikbeauftragter. Oder weil gerade die Wirtschaftsleute darüber lästern könnten, dass er als studierter Lehrer für Deutsch, Politik und Soziologie von großen Krisen nicht allzu viel versteht. Oder weil die SPD schon lange nicht mehr als Denkverein der Wirtschaftsexperten gilt.

Gabriel gibt sich keine Blöße – er seziert die Systemfehler, die zu den Finanzturbulenzen geführt haben, zieht über die zockenden Banker her und parliert darüber, welche internationalen Spielregeln nun nötig seien, um den Schlamassel zu beenden. Die trockenen Vokabeln machen ihm dabei keine Mühe, er hangelt sich von der Netto-Investitionsquote zur Börsenumsatzsteuer bis zu Eigenkapitalvorschriften und Produktivitätsfortschritten. Er bringt sogar John Maynard Keynes und Ludwig Erhard zusammen. Und fordert, nicht die Steuern zu senken, wie es die Koalition plant, weil das wirkungslos sei und die Kommunen in eine finanzielle Schieflage bringe. Sondern Subventionen abzubauen, Investitionen und Bildung zu fördern und die Sozialabgaben zu senken.

Jubel gibt es am Ende von den versammelten Lobbyisten nicht, schließlich leitet Gabriel eine Arbeiterpartei. Sie zollen ihm aber zumindest Respekt. Und klatschen genauso lange wie bei der Kanzlerin, immerhin. Carsten Brönstrup

Carsten BrönstrupD

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