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Wirtschaft: Arbeitnehmer als Aktionäre gesucht

KÖLN .Das politische Tauziehen dauerte Jahre.

KÖLN .Das politische Tauziehen dauerte Jahre.Über das Ziel waren sich eigentlich alle einig: Das Produktivvermögen - der Besitz von Aktien und Unternehmensbeteiligungen - soll in mehr Hände gelangen, die Arbeitnehmer stärker als bisher daran teilhaben.Die Frage ist nur - wie.

Kurz vor der Sommerpause haben sich die Parteien schließlich auf eine Reform des Vermögensbildungsgesetzes verständigt.Zusätzlich zu den berühmten 936 DM an vermögenswirksamen Leistungen öffnet der Staat per 1.Januar 1999 einen zweiten Fördertopf allein für investive Anlagen.Die Anreize für Arbeitnehmer, ihr Geld dem eigenen Betrieb zur Verfügung zu stellen oder in einen überbetrieblichen Fonds zu leiten, steigen.

Denn die Konzentration des Kapitals ist nach Ansicht von Politikern, Gewerkschaften und Kirchen viel zu hoch: Nur drei Prozent der deutschen Haushalte besitzen 80 Prozent des Produktivvermögens.Mit ihrem Ersparten gehen die Bundesbürger eher vorsichtig um.Lebensversicherungen und Sparbriefe sind wegen ihrer garantierten Verzinsung für die meisten attraktiver als Wertpapiere, deren Wert von Hausse oder Baisse auf den Finanzmärkten abhängt.Obwohl der Börsengang der Deutschen Telekom durchaus auch viele vorsichtige Sparer hinter dem Ofen hervorgelockt hat, ist der große Durchbruch bislang immer noch nicht gelungen.Lediglich 8,3 Prozent des riesigen Geldvermögens von 5,3 Billionen DM waren 1997 in Aktien angelegt.Nur in jedem zehnten Arbeiterhaushalt findet sich ein Aktionär.

Dennoch tut sich etwas in den Unternehmen.Die Zahl der Betriebe, die ihre Mitarbeiter beteiligen, steigt ständig an.Die Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft aus Kassel schätzt, daß heute rund 2500 Firmen ihren Beschäftigten Beteiligungsangebote machen.Während Großkonzerne wie Siemens schon seit Jahrzehnten Belegschaftsaktien ausgeben, haben auch kleine Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt.

Ein Beispiel ist die Living Systems AG aus Villingen im Südschwarzwald.Die 20 Mitarbeiter können pro Jahr Aktien der jungen Softwareschmiede in Höhe eines halben Monatgehalts erwerben.Die Investition lohnt: Bei dreistelligem Wachstum steigt der Unternehmenswert ständig an, die Aktien werden immer wertvoller."Wir wollen als Einstiegsdroge echte Anreize bieten", erklärt Mitgründer und Geschäftsführer Kurt Kammerer."Bei uns bewerben sich die sehr guten jungen Informatiker, die sonst nur in die großen Computerunternehmen gehen.Obwohl wir am Anfang nicht mehr als das marktübliche Gehalt bieten." Die Beteiligung ist innerbetrieblich geregelt.An einem "tarifvertraglichen Hickhack" ist Kammerer nicht interessiert.Der Preis der nicht börsennotierten Aktien wird am Jahresende von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestimmt."Wir wollen hohe Transparenz und ein Modell, das jeder verstehen kann", sagt Kammerer.

Rund zwei Millionen Arbeitnehmer sind in Deutschland Miteigentümer ihrer arbeitgebenden Unternehmen.22 Mrd.DM sind allein in Belegschaftsaktien angelegt.Doch nicht nur die Beschäftigten profitieren durch hohe Renditen von den Beteiligungen.Geschäftsführer und Vorstände versprechen sich eine höhere Motivation ihrer Belegschaft, die sich über kurz oder lang auch in der Produktivität niederschlagen soll.Denn beide Seiten ziehen am gleichen Strang.

ANTJE KULLRICH

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