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Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD), hat den Koalitionsvertrag umgesetzt und zum 1. Januar 2015 den Mindestlohn eingeführt.

© Michael Kappeler/dpa

Arbeitnehmer haben mehr Einkommen: Mindestlohn lässt Löhne deutlich steigen

Der Mindestlohn und die geringe Inflation machen es möglich: Die Realeinkommen steigen in diesem Jahr um mehr als zwei Prozent. Und der Mindestlohn hat offenbar keine Jobs gekostet.

Die Arbeitnehmer hierzulande habe in diesem Jahr deutlich mehr Kaufkraft. Denn von der Steigerung der Nominallöhne um 2,8 Prozent in den ersten drei Quartalen gingen nur 0,2 Prozent für höhere Preise drauf. "Aufgrund der Entwicklung der ersten drei Quartale werden für das Jahr 2015 deutliche Reallohnzuwächse erwartet", teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Bemerkenswert ist dabei vor allem der überdurchschnittliche Verdienstzuwachs bei Beschäftigten, die deutlich weniger als der Durchschnitt verdienen. So lag das Einkommen der ungelernten Arbeitnehmer im dritten Quartal mit plus 3,9 Prozent erheblich über dem der Beschäftigten insgesamt (plus 2,6 Prozent).

Ungelernte bekommen 4,3 Prozent mehr Geld

Die Statistiker wollen sich zwar nicht dazu äußern, in welchem Umfang hier der Anfang des Jahres eingeführte Mindeststundenlohn von 8,50 Euro durchschlägt. Doch diese Erklärung ist naheliegend, wie auch ein Blick auf die Lohnentwicklung in Ost- und Westdeutschland zeigt. Im Westen gab es binnen eines Jahres 2,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten; im Osten, wo viel mehr Menschen vom Mindestlohn profitieren, waren es 3,7 Prozent. Schließlich erhöhte sich auch der Verdienst der ungelernten Beschäftigten um überdurchschnittliche 4,3 Prozent, was ebenfalls mit dem Mindestlohn erklärt werden kann.

Am besten wird immer noch in der Energiewirtschaft verdient

Im Schnitt verdiente ein Vollzeitbeschäftigter im dritten Quartal 3624 Euro. "Diese Angabe entspricht dem arithmetischen Mittel", schreiben die Statistiker und schränken die Aussagekraft dieses Mittels denn auch gleich ein. "Knapp zwei Drittel der Vollzeitbeschäftigten verdienen weniger als der gesamtwirtschaftliche Durchschnittswert." Die höchsten Löhne gibt es immer noch in der Energieversorgung. Trotz der Umbrüche infolge der Energiewende liegt das durchschnittliche Bruttogehalt hier bei 4867 Euro. Dagegen sind die 2178 Euro im Gastgewerbe bescheiden. Unterdurchschnittlich sind auch die Einkommen im Handel und im Gesundheits- und Sozialwesen mit jeweils knapp 2500 Euro, mehr als 4000 Euro wird dagegen in der Regel in der Industrie verdient. In diesen Bereichen sind die Gewerkschaften auch am stärksten und setzen entsprechend Tariferhöhungen durch.

Die IG Metall eröffnet die Tarifrunde 2016

Für die rund 3,7 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie gab es in diesem Jahr einen Aufschlag um 3,4 Prozent, in der Chemie bekommen die rund 500 000 Arbeitnehmer 2,8 Prozent mehr Geld. Im kommenden Jahr hat wiederum die IG Metall die Tarifführerschaft. Ende Januar wird die mit 2,2 Millionen Mitgliedern größte deutsche Gewerkschaft ihre Tarifforderung vorstellen. Nachdem sie vor einem Jahr mit 5,5 Prozent ins Tarifrennen gegangen war, wird nun mit Spannung erwartet, ob diesmal wieder eine Fünf vor dem Komma steht. Die wirtschaftliche Situation ist keinesfalls besser als vor einem Jahr. Und wenn die Gewerkschaft, wie gewohnt, die gesamtwirtschaftliche Produktivität (gut ein Prozent) und die Zielrate der Inflation (zwei Prozent) anlegt, dann wird sie Mühe haben, eine Fünf-Prozent-Forderung zu begründen. Nach der Tarifauseinandersetzung in der Metallindustrie folgt dann im Februar der öffentliche Dienst für die Kommunen und den Bund.

Mindestlohn kostet offenbar keine Arbeitsplätze

Die Einführung des Mindestlohns hat offenbar "keine negativen Arbeitsmarkteffekte gebracht". Wie die Böckler-Stiftung des DGB am Montag mitteilte, sei vielmehr die sozialversicherungspflichte Beschäftigung spürbar gestiegen, "und zwar gerade in traditionellen Niedriglohnbranchen". So lag etwa im Gastgewerbe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im September 2015 um 6,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Zurückgegangen sei die Zahl oft sehr niedrig bezahlter und schlecht abgesicherter Minijobs, was zum Teil aber daran liegen dürfte, das diese Arbeitsverhältnisse in reguläre Stellen umgewandelt wurden.

Keine Mindestlohnausnahmen für Flüchtlinge

"Hinter der Behauptung, dass die Flüchtlinge nur mit einem abgesenkten oder gar ausgesetzten Mindestlohn in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten, steht eine verengte Sichtweise, die Beschäftigungsmöglichkeiten allein bei hinreichend niedrigen Löhnen sieht", sagte Gustav Horn, der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. "Tatsächlich sind andere Faktoren dominierender, wie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als überragende Determinante der Beschäftigung. Und die wird dadurch gestärkt, dass der Mindestlohn einen Sog nach unten bei der Bezahlung verhindert. Die Untergrenze stützt damit unsere Wirtschaft", sagte Horn und lehnte eine Öffnung des Mindestlohngesetzes für Flüchtlinge.

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