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Wirtschaft: Arbeitskampf im Bau steht bevor

Zwei Landesverbände kippen Schlichterspruch / Gewerkschaft: Arbeitgeber provozieren Ausstand

Berlin/Frankfurt am Main - In der deutschen Bauindustrie stehen alle Zeichen auf Streik. „Wir richten uns auf einen heftigen Arbeitskampf ein“, sagte Klaus Wiesehügel, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) am Montag in Frankfurt am Main. Es könne keine andere Antwort geben, die Arbeitgeber hätten diesen Arbeitskampf provoziert, urteilte der Gewerkschafter. Hintergrund ist die überraschende Ablehnung des Schlichtervorschlags des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement durch die Bauarbeitgeber in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

„Der Abschluss ist für unsere Mitglieder einfach nicht tragbar“, sagte Michael Cuypers, Sprecher des niedersächsischen Baugewerbeverbandes, dieser Zeitung. Die Bauwirtschaft spüre nach ihrer langjährigen Krise bislang nur eine leichte Erholung. „Wir haben die Befürchtung, dass diese nicht lange anhält“, sagte Cuypers.

Die IG Bau wird daher jetzt die Urabstimmung in beiden Bundesländern einleiten. Am 16. Juni soll sie abgeschlossen sein, am 18. Juni wird der Vorstand der IG Bau über einen Streik entscheiden. Bereits ab dem heutigen Dienstag sind erste Warnstreiks möglich.

Die Gewerkschaft hatte den Schlichterspruch Clements bereits angenommen, die Erklärungsfrist lief allerdings bis zum gestrigen Montag. Der Vorschlag sah für die rund 680 000 Beschäftigten der Baubranche ab Juni eine Erhöhung von Löhnen und Gehältern um 3,1 Prozent und eine Einmalzahlung von 0,4 Prozent vor. Danach sollten bis März 2009 zwei weitere Anhebungen um insgesamt 3,1 Prozent und eine weitere Einmalzahlung von 0,5 Prozent im Jahr 2008 kommen.

„Wir halten die Erhöhung nach wie vor für kein überzogenes Ergebnis“, sagt Wiesehügel. Dafür spreche auch, dass die Bauarbeitgeber in Ostdeutschland dieses Ergebnis ohne Wenn und Aber akzeptiert hätten. Die reguläre Tarifrunde war zuvor vor allem am Widerstand der ostdeutschen Bauarbeitgeber gescheitert.

Neben dem aus ihrer Sicht zu hohen Abschluss halten die Bauverbände in Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor allem die vereinbarte Öffnungsklausel für zu vage. Diese sieht vor, dass die Löhne und Gehälter der Beschäftigten in einzelnen Betrieben um bis zu acht Prozent gesenkt werden können. „Die IG Bau ist uns eine klare Antwort schuldig geblieben, wie diese Klausel tatsächlich umgesetzt werden soll“, sagte Michael Cuypers vom niedersächsischen Bauverband. IG-Bau-Chef Wiesehügel sagte dagegen, beide Seiten hätten sich darauf verständigt, von Fall zu Fall gemeinsam zu entscheiden, inwieweit die Klausel angewandt werden soll. Er warf den Bauunternehmen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor, sie wollten jetzt allein entscheiden, deshalb werde der Kompromiss nicht mehr akzeptiert. Dabei hätten die Verbände die entsprechende Vereinbarung unterschrieben. „Würden wir akzeptieren, dass die Unternehmen allein entscheiden, wäre das das Ende der Tarifautonomie.“ Deshalb gäbe es keine Alternative zum Streik. Der Ausstand soll schwerpunktmäßig in Norddeutschland stattfinden.

Die Ablehnung des Tarifkompromisses stieß unterdessen auf Kritik im Arbeitgeberlager und auf Unverständnis bei Ökonomen. „Die Tarifverträge in diesem Jahr sind ökonomisch vertretbar“, sagte der Wirtschaftsweise Bert Rürup dem „Handelsblatt“. „Das gilt auch für den Bautarifvertrag.“ Mit Öffnungsklauseln und Ausnahmen für untere Lohngruppen seien die Abschlüsse stärker im Sinne der Arbeitgeber, als die Zahl vor dem Komma suggeriere. Auch der Chef des Hauptverbandes der Bauindustrie, Thomas Bauer, kritisierte das Ausscheren der Regionalverbände heftig. „Zwei Regionalverbände bevormunden die gesamte Industrie.“ Bert Rürup warnte vor erheblichen Konsequenzen: „Ohne bundeseinheitlichen Tarifvertrag gerät auch der Mindestlohn der Branche in Gefahr.“ Dieser sei an die Existenz eines bundesweit gültigen Tarifvertrages gekoppelt, der nunmehr nicht mehr sicher gewährleistet sei. mit HB

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