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Wirtschaft: Arbeitskampf soll noch Wochen dauern

Bsirske kündigt „unkalkulierbare“ Streiks an / Kritik an geplanten Einkommenserhöhungen für die Ärzte

Berlin - Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stellt sich auf eine Fortsetzung des Arbeitskampfes „für weitere Wochen“ ein. Das kündigte Verdi-Chef Frank Bsirske am Dienstag in Berlin an. Die Zahl der Streikenden werde zwar sinken, doch würde der Arbeitskampf flexibler und damit „unkalkulierbar“ für die Arbeitgeber. Gleichzeitig betonte der Verdi-Chef aber, es gebe zwischen Arbeitgebern und Verdi vor allem in Baden-Württemberg „keine überbrückbaren Hürden“. Er berichtete ferner von einem Telefongespräch mit dem Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), dem niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU).

Am Montagnachmittag habe Möllring angerufen, um ihm mitzuteilen, dass die Länder unverändert auf einer Öffnungsklausel zur Verlängerung der Arbeitszeit und zur Kürzung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld beharrten, sagte Bsirske. Einen neuen Verhandlungstermin habe Möllring nicht vorgeschlagen; er wolle vielmehr das Treffen der Länderfinanzminister am kommenden Donnerstag abwarten. Bsirske will nun seinerseits nach dem Donnerstag mit einem Terminvorschlag auf Möllring zugehen. „Ich lasse ihm nicht durchgehen, Potemkin’sche Dörfer zu bauen“, sagte der Verdi-Chef, der bei Möllring Kompromissbereitschaft vermisst und ihm „Scheinverhandlungen“ vorwirft. Am 11. März war die bislang letzte Verhandlungsrunde zwischen Verdi und der TdL abgebrochen worden, weil die Länder auf ihrer Maximalposition beharrten.

Bsirske sowie der Verhandlungsführer der dbb Tarifunion, Frank Stöhr, kritisierten die TdL wegen ihres Entgegenkommens gegenüber der Ärztevereinigung Marburger Bund, die derzeit um eine Lohnforderung von 30 Prozent einen Arbeitskampf führt. Die TdL, so Bsirske, die vom Pflegepersonal Gehaltseinbußen und längere Arbeitszeiten fordere, biete den Ärzten unter gewissen Umständen Einkommenserhöhungen um bis zu 45 Prozent an. „Wenn eine Gruppe 45 Prozent mehr bekommt, was bedeutet das für die andere Gruppe?“, fragte Bsirske, der befürchtet, dass das Pflegepersonal die Gehaltssteigerungen der Ärzte finanzieren müssen. Stöhr sprach von einer „Umverteilung von oben nach unten“ und warf der TdL einen „Angriff auf den sozialen Frieden vor“.

Die TdL wiederum reagierte in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Empörung der Gewerkschaften sei nicht nachvollziehbar. Wenn der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, der bislang nur für Bund und Kommunen gilt, auch auf die Länder und die Uni-Ärzte übertragen würde, „bedeutet das für einen jungen Arzt im zweiten Jahr 9,7 Prozent mehr Entgelt“. Und für die Erhöhung der Arbeitszeit auf 42 Prozent würden weitere 6,5 Prozent Gehaltserhöhung veranschlagt. „Nichts anderes haben wir vom Volumen her mit dem Marburger Bund in Sondierungsgesprächen diskutiert“, erklärte der TdL-Vorsitzende Möllring. „Von einem Angriff auf den sozialen Frieden kann deshalb keine Rede sein.“

Um über die Situation in den Kliniken zu informieren, hatte Bsirske Pflegepersonal aus Stuttgart, Essen und Göttingen in die Verdi-Zentrale eingeladen. Ein Chirurg und Personalrat aus Stuttgart berichtete aus seinem Krankenhaus, in dem eine Arbeitszeitverlängerung um 18 Minuten am Tag, wie von den Arbeitgebern gefordert, einer Hochrechnung zufolge 185 Stellen kosten würde. Eine Krankenschwester aus Göttingen wies auf die steigende Zahl von Patienten hin. Ferner würden die Patienten älter und damit auch kränker, bedürften also intensiverer Pflege. Doch das Pflegepersonal werde seit Jahren abgebaut.

Die miserablen Arbeitsbedingungen in den Kliniken haben Bsirske zufolge die Fluktuation beziehungsweise die Zahl der Ausstiege forciert. Im Durchschnitt arbeite eine Schwester oder ein Pfleger nur sieben Jahre in dem erlernten Beruf. Für den 29. März kündigten Stöhr und Bsirske einen Aktionstag der Beschäftigten von Unikliniken in Hannover an.

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