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Arbeitslosenzahlen: Wie wird der Abschwung gebremst?

Die Wirtschaftskrise hat den Arbeitsmarkt erreicht. Doch bisher gibt es kaum Massenentlassungen. Welche Instrumente stehen Unternehmen zur Verfügung, um den Abschwung abzubremsen?

Der Dezember war erst der Anfang. In den kommenden Monaten wird die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen, da sind sich alle Ökonomen und die Bundesagentur für Arbeit (BA) ausnahmsweise einig. Nach einer bislang glänzenden Entwicklung im vergangenen Jahr war die Zahl der Menschen ohne Job im Dezember um 114 000 auf 3,1 Millionen gestiegen – damit wurde die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt eingeläutet. Doch trotz der vermutlich schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit konnten die Unternehmen bislang auf flächendeckende Kündigungen verzichten. Den Unternehmen helfen dabei zahlreiche Instrumente, um ohne große Personaleinbußen über die Krise hinwegzukommen.

ARBEITSZEITKONTEN

Im Aufschwung wie im Abschwung sind Arbeitszeitkonten ein beliebter Puffer für Unternehmen. In Auftragsspitzen sammeln Arbeitnehmer geleistete Überstunden auf diesen Konten an, werden aber nicht zusätzlich bezahlt. Die Unternehmen können dadurch bis zu einem gewissen Grad auf zusätzliches Personal verzichten. Gibt es eine Zeit lang weniger zu tun, werden die Überstunden abgefeiert. Zunächst muss keiner entlassen werden. Vor allem die exportabhängige Industrie in Deutschland, die besonders stark unter dem Auftrags- und Nachfragerückgang aus dem Ausland leidet, hat in den vergangenen Monaten ihre Arbeitszeitkonten stark genutzt. Insbesondere die großen Autobauer in Deutschland haben dieses Instrument eingesetzt. „Arbeitszeitkonten haben derzeit aber auch in einer Reihe anderer Unternehmen einen hohen Stellenwert“, sagt Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Ein Hinweis darauf sei, dass die vom Statistischen Bundesamt ausgewiesene Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in den vergangenen Monaten zurückgegangen, die Zahl der Entlassungen aber nicht in ähnlichem Umfang gestiegen sei. Die aktuellen Daten spiegeln also nicht die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt wider.

Ein Nachteil von Arbeitszeitkonten ist indes, dass sie irgendwann aufgebraucht sind. Zwar sehen in manchen Branchen und Betrieben die Vereinbarungen vor, dass auch Minusstunden angesammelt werden können. Unendlich ist das aber nicht möglich.

KURZARBEIT

Reichen die Arbeitszeitkonten nicht mehr aus, können Unternehmen auf Kurzarbeit zurückgreifen – also die Wochenarbeitszeit reduzieren – und zusätzlich finanzielle Hilfe bei der Arbeitsagentur beantragen. Wenn ein Unternehmen nachweisbar in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ist, zahlt die BA bis zu 67 Prozent des Nettolohns für die ausgefallene Arbeitszeit. Seit Anfang des Jahres ist diese Förderung bis zu 18 Monate möglich. Wie begehrt das Instrument im derzeitigen Abschwung ist, zeigen die Zahlen. Im Dezember meldeten die Unternehmen rund 295 000 Beschäftigte allein aufgrund von Auftragsflauten für Kurzarbeit an. Damit hat sich ihre Zahl binnen eines Monats verdoppelt. Zum Vergleich: Im Vorjahresmonat hatte die Zahl der Anträge gerade mal bei etwa 10 000 gelegen. Laut BA machten im Dezember auch hier vor allem Autobauer, deren Zulieferer und die Logistikbranche von der Kurzarbeit Gebrauch. Überdurchschnittlich viele Anzeigen von Kurzarbeit gibt es demnach aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen – dort, wo am meisten produziert wird.

Als Hemmschuh bei der Kurzarbeit gilt, dass betroffene Betriebe trotzdem den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil von 80 Prozent des normalen Lohns entrichten müssen. Für kleinere Unternehmen ist dieses Instrument in schlechten Zeiten meist zu teuer. Die Wirtschaft dringt daher darauf, dass hier Änderungen vorgenommen werden. Das zweite Konjunkturpaket der Koalition, das derzeit vorbereitet wird, wird vermutlich Erleichterungen in dieser Hinsicht enthalten. Die BA soll dann den Arbeitgebern die Sozialbeiträge für Kurzarbeit teilweise oder ganz erstatten, wenn die Unternehmen Kurzarbeit mit Weiterbildung verbinden.

Ein weiterer Nachteil der Kurzarbeit ist, dass sie hohe Kosten verursacht – allerdings bei der BA. Bislang hat die Behörde dafür im laufenden Jahr 300 Millionen Euro eingeplant. Angesichts der rapide steigenden Nachfrage könnte am Ende sogar eine Milliarde Euro nötig sein.

ENTLASSUNG VON ZEITARBEITERN

Zeitarbeiter sind meist die Ersten, die in Boom-Jahren eingestellt werden, aber auch die Ersten, die dran glauben müssen, wenn es in einem Betrieb nicht mehr rund läuft. Im vergangenen Sommer hatte die Zahl der Leiharbeiter mit mehr als 750 000 ein Rekordhoch in Deutschland erreicht. Mit dem Einsetzen des Abschwungs und stornierter Aufträge schickten Konzerne wie MAN oder Continental jedoch sofort tausende Leiharbeiter nach Hause. Weitere Unternehmen folgten dem Beispiel.

Dass sich das noch nicht in voller Höhe in den aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur widerspiegelt, liegt daran, dass die Leiharbeiter zunächst noch bei ihren Zeitarbeitsfirmen unter Vertrag sind. Können sie aber über einen längeren Zeitraum hinweg nicht woanders eingesetzt werden, werden sie entlassen. Experten rechnen damit, dass dies in den kommenden Monaten stark zunehmen wird.

ALTERSTEILZEIT

In der Regel läuft die Altersteilzeit nach dem sogenannten Blockmodell ab. Der Arbeitnehmer arbeitet in der ersten Hälfte seiner Altersteilzeit noch in Vollzeit, in der zweiten Hälfte dann gar nicht mehr. In dieser Phase gehört er zwar offiziell nicht mehr zum Personal, erhält aber immer noch sein an die Teilzeit angepasstes Gehalt. Die Bundesagentur für Arbeit nimmt dem Arbeitgeber dabei einen Teil seiner Kosten ab. Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, dass dieses Instrument am wenigsten als Mittel gegen die Krise genutzt wird. Denn die Arbeitsagentur knüpft an ihre Zahlungen die Bedingung, dass ein jüngerer den älteren Arbeitnehmer bei seinem Weggang ersetzt. „Die wenigsten Unternehmen werden sich in dieser Phase darauf einlassen“, sagt IMK-Direktor Gustav Horn.

BETRIEBSBEDINGTE KÜNDIGUNGEN

Die betriebsbedingte Kündigung ist das allerletzte und einschneidendste Mittel für Unternehmen. Vor allem in kleineren und mittelständischen Betrieben, wo der direkte Kontakt zum Arbeitnehmer in der Regel stärker gepflegt wird als in großen Konzernen, haben die Arbeitgeber oft Hemmungen, darauf zurückzugreifen. Auch ist der Aufwand enorm, weil betriebsbedingte Kündigungen eine Sozialauswahl verlangen. Der Arbeitgeber kann also nicht frei wählen, wen er entlässt, sondern muss etwa Betriebszugehörigkeit, Alter oder Familienstand berücksichtigen. Daneben sind viele Unternehmen seit dem vergangenen Abschwung schlauer geworden, als sie viele ihrer Fachkräfte entließen. Im Aufschwung danach mussten sie wieder händeringend nach Fachkräften suchen. Diesen Fehler wollen viele dieses Mal vermeiden.

Und dennoch: Die Wirtschaftskrise sei dieses Mal so dramatisch, dass man um zahlreiche betriebsbedingte Kündigungen nicht umhinkomme, meint Gustav Horn. Das sei aber erst der Fall, wenn alle anderen Mittel nicht mehr ausreichten.

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