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Wirtschaft: Arbeitslosigkeit bremst das Wachstum

Im Juni sinkt die Zahl der Menschen ohne Job auf 4,704 Millionen – für die Konjunktur reicht das nicht

Berlin - Trotz des Rückgangs der Arbeitslosenzahl im Juni auf 4,704 Millionen hat die Opposition ihre Angriffe verschärft. Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla (CDU) warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, er müsse persönlich so viele Arbeitslose verantworten wie kein deutscher Regierungschef seit 1945. „Einen Tag vor der Selbstaufgabe des Bundeskanzlers bietet der Arbeitsmarkt ein Bild des Schreckens“, sagte Pofalla dem Tagesspiegel. Damit die Betroffenen und ihre Familien endlich wieder eine Chance am Arbeitsmarkt erhielten, müsse „die Zeit der rot-grünen Agonie“ so bald wie möglich ein Ende haben.

Die Bundesagentur für Arbeit hingegen spricht von dem stärksten Rückgang der Arbeitslosigkeit in den vergangenen fünf Jahren. Dennoch bleiben die Aussichten schlecht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet in seiner am Mittwoch vorgestellten Konjunkturprognose für dieses Jahr durchschnittlich 4,787 Millionen Menschen ohne Arbeit. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostiziert in seiner ebenfalls neuen Berechnung sogar 4,852 Millionen Bürger ohne Beschäftigung. Im ersten Halbjahr betrug die Arbeitslosenzahl nach TagesspiegelBerechnungen 4,985 Millionen.

Der Grund für die Misere: „Ein kräftiger Aufschwung ist nicht in Sicht“, sagen die DIW-Forscher. Nur um 0,9 Prozent werde das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe der produzierten Güter und Dienstleistungen, in diesem Jahr wachsen. „Deutschland steckt auch zur Jahresmitte 2005 in einem Jammertal“, sagte DIW-Chef Klaus Zimmermann. Das IWH rechnet immerhin mit 1,1 Prozent Wirtschaftswachstum, der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem Prozent. Erst 2006 soll es mehr werden: DIW und IWH halten es dann wieder für möglich, dass die Wirtschaft um 1,5 Prozent wächst. Der Währungsfonds geht im kommenden Jahr dagegen nur von einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes von 1,3 Prozent aus.

Gestützt werde das Wachstum weiterhin vom Außenhandel, „die zu schwache Binnennachfrage behindert die Expansion“, heißt es beim DIW. Im Frühjahrsgutachten hatte das Institut zusammen mit den anderen Forschungsinstituten ein Wachstum von nur 0,7 Prozent prognostiziert. „Mit dem Nachlassen des weltwirtschaftlichen Aufschwungs wächst die Gefahr, dass sich das Zeitfenster für eine Beschleunigung der Binnenkonjunktur bald schließt“, sagten die Ökonomen des IWH.

Allein bei den Ausrüstungsinvestitionen, also den Ausgaben der Firmen etwa für Maschinen, zeige sich ein Übergreifen der Impulse auf die Binnenwirtschaft. Die privaten Haushalte blieben die „Konjunkturbremse“. Erst mit einer deutlichen Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt werde die Konsumlust wieder wachsen. Als erhebliches Risiko stuften die Institute die Entwicklung der Ölpreise in den vergangenen Wochen ein. Dies bremse die gesamte Weltwirtschaft. Das DIW räumte ein, angesichts der unsicheren Ölpreisnotierung gebe es „erhebliche Risiken“ für die Prognose. Das Institut nimmt an, dass der Ölpreis von derzeit knapp 57 Dollar pro Barrel wieder unter 50 Dollar fällt. Sollte er aber dauerhaft über 70 Dollar steigen, würde das innerhalb eines Jahres 0,3 Prozentpunkte Wachstum kosten.

Vor dem Hintergrund der Wachstumsschwäche forderte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Europäische Zentralbank indirekt zu einer Senkung ihrer Leitzinsen auf. „Ich habe sehr deutlich gemacht, dass die Geldpolitik, wie sie heute ist, nicht unserer Interessenlage entspricht“, sagte er in Berlin. „Alle Instrumente, die wir haben, müssen auf Wachstum ausgerichtet sein“, ergänzte Clement. Seit mehr als zwei Jahren hält die EZB den wichtigsten Leitzins bei 2,0 Prozent.

Der Ombudsrat für die Hartz-IV-Reform forderte in seinem am Mittwoch vorgestellten Bericht weitere Nachbesserungen. So solle die Eigenheimzulage bei Langzeitarbeitslosen nicht als Einkommen angerechnet werden, wenn mit ihr ein Baukredit getilgt werde. Zudem sollten sich Kinder, die Bafög bezögen und bei ihren Eltern lebten, nicht an den Unterkunftskosten beteiligen müssen.

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