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Wirtschaft: Arbeitslosigkeit im September leicht zurückgegangen

Lage auf Lehrstellenmarkt bleibt vor Ausbildungsgipfel angespannt

Berlin (brö). Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland dürfte im September um etwa 70000 Menschen auf 4,24 Millionen zurückgegangen sein. Diese Einschätzung äußerten Wirtschaftsforscher im Gespräch mit dem Tagesspiegel vor der Bekanntgabe der offiziellen Zahlen am Donnerstag. Die tatsächliche Zahl der Arbeitssuchenden sei aber um bis zu eine Million niedriger, als in der Statistik ausgewiesen. Unterdessen erneuerten die Gewerkschaften ihre Forderung nach einer Ausbildungsplatzabgabe für Betriebe, die keine Lehrstellen anbieten. Am Donnerstag wollen sich Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften zu einem so genannten Ausbildungsgipfel treffen.

Im August hatten die Arbeitsämter 4,3142 Millionen Menschen ohne Stelle gezählt. Peter Meister, ArbeitsmarktFachmann bei der ING BHF-Bank in Frankfurt (Main), erwartet damit für den September eine Arbeitslosenquote von 10,2 Prozent. Insgesamt werde die Arbeitslosenzahl um 300000 Menschen höher sein als im Vorjahresmonat. Bereinigt um Saisoneinflüsse rechnet er mit 4,17 Millionen Arbeitslosen und einer Zunahme von 10000 gegenüber dem August. „Eine Trendwende lässt weiter auf sich warten“, erklärte er. In den Wintermonaten werde sich die Beschäftigungskrise sogar weiter verschärfen, so dass im Februar knapp fünf Millionen Menschen ohne Job sein dürften.

Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), sieht in den kommenden Monaten keine durchgreifende Wende am Arbeitsmarkt. „Vor Mitte nächsten Jahres rechne ich nicht mit einer spürbaren Entlastung“, sagte Gerster in Berlin. 2004 werde im Jahresdurchschnitt auch nicht den Durchbruch bringen. Im laufenden Jahr befinde sich das Geschehen auf dem Arbeitsmarkt „nach wie vor in schwerem Wasser“, befand Gerster. Als positiv wertete er, dass zumindest in den vergangenen Monaten bei der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl im Schnitt eine schwarze Null ereicht worden sei.

Den leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit im September führen die Fachleute weniger auf das sich aufhellende Wirtschaftsklima zurück. „Die Arbeitsämter sind seit Monaten dabei, solche Leute aus der Statistik zu entfernen, die eigentlich gar keine Arbeit suchen“, sagte Herbert Buscher, Arbeitsmarkt-Experte beim Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Das betreffe etwa Schwarzarbeiter. Insgesamt sei mit rund einer Million Leute zu rechnen, die nicht mehr ernsthaft an einem neuen Job interessiert seien, sagte Buscher. Laut deutscher Statistik gelten aber nur solche Menschen als tatsächlich arbeitslos – die übrigen zählen zur so genannten „stillen Reserve“. Ein Sprecher des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg sagte, ein Drittel der derzeit noch verzeichneten Arbeitslosen sei an einer neuen Beschäftigung gar nicht interessiert.

Um ihre Statistik zu bereinigen – und mithin nur noch Menschen zu betreuen, die tatsächlich eine neue Stelle suchen –, fehle den Arbeitsämtern jedoch das Personal, sagte Buscher. „Derzeit betreut ein Vermittler noch etwa 800 Arbeitslose. Aber selbst eine Quote von eins zu 150, wie sie BA-Chef Gerster anstrebt, reicht nicht aus“, kritisierte er.

Auch die Lage auf dem Lehrstellenmarkt bleibt angespannt. Vor dem Ausbildungsgipfel am Donnerstag, zu dem Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) Wirtschaft und Gewerkschaften geladen hat, erneuerte die Gewerkschaft Verdi ihre Forderung nach einer Ausbildungsplatzabgabe. Dies werde 200000 neue Lehrstellen bringen. Experten rechnen damit, dass zu Beginn des Ausbildungsjahres 2003 Ende September etwa 30000 Jugendliche unversorgt waren. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erklärte indes, „Horrorszenarien“ über die Lage hätten sich nicht bewahrheitet.

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