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Wirtschaft: Arbeitsmarkt: Das A und O ist eine zügige Vermittlung

Gerhard Schröder hatte sich das so schön vorgestellt. Zum 1.

Gerhard Schröder hatte sich das so schön vorgestellt. Zum 1. Januar 2002 sinken die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Unternehmen und Arbeitnehmern wird also weniger abgeknöpft und die Abgabenquote fällt unter 40 Prozent, wie die Regierung das versprochen hat. Und dann, pünktlich zum Wahltag, drückt der Kanzler die Arbeitslosenzahl auf 3,5 Millionen. Doch dieses Kalkül geht nicht auf. Die Wirtschaft läuft so schwach, dass das Arbeitslosenziel unerreichbar scheint. Und die Bundesanstalt für Arbeit schreibt schon wieder rote Zahlen: Im ersten Halbjahr gaben die Arbeitsämter 4,9 Milliarden Mark mehr aus als sie einnahmen. Kein Wunder: 100 000 Arbeitslose kosten drei Milliarden Mark. Und die Zahlen steigen wieder. Wie also kommt der Kanzler aus der Arbeitslosenfalle?

Walter Riester soll helfen. Der Arbeitsminister will die Arbeitsförderung reformieren: Job-Aktiv ist der Codename für ein Gesetz, das nach der Sommerpause beschlossen werden soll. Ein typischer Riester, so könnte man sagen: Der Arbeitsminister setzt nicht an bei den Regulierungen des Arbeitsmarktes, die häufig als Einstellungshemmnisse wirken, sondern bei der Arbeitsmarktpolitik, deren Effekte umstritten sind. Jedes Jahr geben die Arbeitsämter etwa 40 Milliarden Mark für diverse Programme aus, hinzu kommen noch zehn Milliarden Mark von Bundesländern, Kommunen und dem EU-Sozialfonds. Die größten Brocken sind die Weiterbildungsmaßnahmen mit gegenwärtig 354 000 Teilnehmern und ABM sowie Strukturanpassungsmaßnahmen (Lohnzuschüsse) mit 245 000 Personen.

Ohne Arbeitsmarktpolitik gäbe es mehr Arbeitslose, keine Frage. Aber die milliardenschweren Maßnahmen sind umstritten. Insbesondere ABM führen nur selten dazu, dass die Arbeitslosen einen regulären Job auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen. Typisch sind vielmehr Maßnahmekarrieren: Von der ABM geht es häufig wieder in die Arbeitslosigkeit - inklusive Bezug von Arbeitslosengeld - dann kommt irgendwann wieder eine AMB und so geht es dann immer weiter am wirklichen Leben auf dem Arbeitsmarkt vorbei.

Im Auftrag der Bundesregierung hat die Benchmarking-Gruppe des Bündnis für Arbeit die Beschäftigungspolitik untersucht. Schlussfolgerung der Experten: Die Arbeitsmarktpolitik soll von einer aktiven auf eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik umgestellt werden. Damit meinen die Wissenschaftler eine Förderung, "die Eigenverantwortung stärkt, Risikobereitschaft fördert und Benachteiligungen vorbeugt oder ausgleicht". Die Gruppe, zu der unter anderem der Arbeitsmarktforscher Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin, der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Gerhard Fels, sowie Heide Pfarr von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung gehören, haben die Arbeitsmarktpolitik analysiert und Schlussfolgerungen gezogen.

Am besten funktioniert die Arbeitsvermittlung und Beratung. Dabei sei wichtig, mit Arbeitslosen "möglichst frühzeitig maßgeschneiderte Förderprogramme abzustimmen". Bei Arbeitsminister Riester ist die Botschaft angekommen. In seinen Eckpunkten zur Reform der Arbeitsförderung heißt es, dass Arbeitsamt und Arbeitsloser gemeinsam eine Eingliederungsvereinbarung abschließen, die "einerseits sicherstellt, dass die Arbeitsämter Angebote bereit stellen, die den Interessen, Kenntnissen und Fähigkeiten der/des Arbeitslosen entsprechen". Andererseits wird mit dem Arbeitslosen vereinbart, was er unternehmen muss, um einen Job zu bekommen. Dahinter verbirgt sich der Grundsatz des Forderns und Förderns, wie ihn auch die Benchmarking-Gruppe vertritt. An die Lohnersatzleistungen - die von den Wissenschaftlern immerhin problematisiert werden - will Riester hingegen nicht ran. Das ist im Übrigen eine Kernforderung der Arbeitgeber, die den Bezugszeitraum für Arbeitslosengeld auf zwölf Monate begrenzen wollen. Das Argument: Wenn jemand, wie heute möglich, 32 Monate lang Arbeitslosengeld bezieht, hat er kaum noch Chancen auf einen regulären Job.

Weiterbildungsmaßnahmen nehmen in der Reihenfolge der Benchmarking-Gruppe den zweiten Rang ein. Diese Maßnahmen sind "vor allem dann wirksam, wenn sie zielgruppenspezifisch sehr genau zugeschnitten sind und frühzeitig mit Vermittlungsberatung und aktiver Arbeitsplatzsuche verknüpft werden". Riesters Pläne sehen hier vor, künftig Jobrotation mit Lohnkostenzuschüssen zu fördern. Desweiteren wird künftig Arbeitgebern, die ungelernte Arbeitnehmer für eine Qualifizierung freistellen, der Lohn zum großen Teil vom Arbeitsamt erstattet.

Lohnsubventionen bei der Einstellung von Arbeitslosen liegen auf dem dritten Platz des Rankings der Wissenschaft. Allerdings sind bei diesem Instrument die Mitnahme- und Verdrängungseffekte besonders hoch. Für die Wissenschaftler sind die Subventionen dennoch vertretbar, "wenn sie eng auf Zielgruppen (Ältere, Behinderte, Sozialhilfeempfänger) zugeschnitten sind". Die schlechtesten Noten der Wissenschaftler bekommen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), bei denen keine "nachhaltigen Beschäftigungseffekte" festgestellt werden. Häufig tritt sogar das Gegenteil ein, weil "die geringen Qualifikationsanforderungen in ABM-Projekten stigmatisierend wirken können und die Chancen der Eingliederung mindern".

Die Benchmarking-Gruppe resümiert ihre Untersuchungen in folgenden Empfehlungen: Einfache und klare Ausgestaltung der Programme sowie deren laufende Evaluierung; eine ausgewogene Balance von Rechten und Pflichten (Fördern und Fordern); Konzentration der Leistungen auf Benachteiligte; individuell maßgeschneiderte Förderung; Verstärkung des Wettbewerbs und der Eigenverantwortung.

Den größten Effekt bringt die "Intensivierung und Modernisierung der Arbeitsvermittlung". Wenn etwa die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von sieben auf sechs Monate gesenkt werden könnte, brächte das Einsparungen von elf Milliarden Mark. Da die Arbeitsämter aber offenkundig überfordert sind, sollen sie künftig stärker mit privaten, professionellen Vermittlungsdiensten sowie mit Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeiten. Das will auch Riester. Wenn künftig ein Arbeitsloser nach sechs Monaten noch keinen Job hat, darf er verlangen, dass er oder sie "durch einen geeigneten und vom Arbeitsamt beauftragten Dritten vermittlerisch betreut wird". Zumindest bei den Arbeitsvermittlern dürfte es also demnächst viel Arbeit geben.

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