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Arbeitsmarkt: Die Zeitarbeit trifft es zuerst

Die Krise kündigt sich an: Die Zeitarbeits-Branche gilt als Frühindikator. Zahlreiche Entlassungen gibt es bereits.

Berlin - Noch zeigt sich der Arbeitsmarkt von seiner robusten Seite. Aber spätestens in zwei Monaten werden die Erwerbslosenzahlen in Deutschland wieder steigen. So sagt es die Bundesagentur für Arbeit voraus. Und sicher ist: Am härtesten wird es dann die Zeitarbeiter treffen.

Die bislang erfolgsverwöhnten Leiharbeitsunternehmen spüren das bereits heute. „Wir erleben derzeit etwas, was für uns nicht ganz normal ist“, sagt Thomas Reitz, Geschäftsführer von Manpower Deutschland. In den ersten zwei Quartalen dieses Jahres sei der Umsatz bei Deutschlands drittgrößtem Zeitarbeitsunternehmen noch zweistellig gewachsen. „Aber seit dem Sommer ist alles anders“, erklärt Reitz. „Wir stagnieren.“ Die Mehrheit der Kunden bräuchte keine zusätzlichen Mitarbeiter mehr, manche hätten ihre Leiharbeiter sogar frühzeitig zu Manpower zurückgeschickt oder ließen ihre laufenden Verträge einfach auslaufen. „Vor allem die exportabhängige Industrie, allen voran die Autobauer, gehört dazu“, sagt Reitz.

Tatsächlich vergeht momentan kaum ein Tag, an dem nicht ein weiterer Hersteller Entlassungen bei den Leiharbeitern ankündigt. Allen voran Volkswagen und MAN, die sich von Tausenden ihrer Leiharbeitnehmer trennen wollen. Aber auch die Zulieferer reagieren auf die geringere Nachfrage mit der Massenentlassung von Leiharbeitern. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ist sich sicher, dass dies erst der Anfang ist. So prognostiziert er einen Rückgang der Leiharbeit bei deutschen Autobauern und ihren Zulieferern von derzeit noch gut 100 000 auf 20 000 Beschäftigte bis Mitte kommenden Jahres.

Die Gewerkschaften rechnen nun mit dem Schlimmsten für die Leiharbeiter. Weil ihre Arbeitgeber – die Zeitarbeitsfirmen – keine alternative Beschäftigung mehr für sie fänden, säßen sie schon bald komplett auf der Straße.

„Momentan können wir die zurückgeschickten Mitarbeiter noch in anderen Branchen einsetzen“, versucht Manpower-Chef Reitz hingegen zu beruhigen. Entlassungen seien bisher – auch wegen der hohen Fluktuation, die in einem Zeitarbeitsunternehmen üblich sei – nicht nötig gewesen. „Langfristig aber kann ich Kündigungen tatsächlich nicht ausschließen“, sagt Reitz.

Wettbewerber Adecco dagegen musste bereits in den vergangenen Wochen Mitarbeiter entlassen, wie Sprecherin Tanja Siegmund sagt. Wie viele Beschäftigte davon betroffen waren, will sie nicht sagen. „Aber große Einbrüche haben wir noch nicht erlebt“, sagt sie.

Von den gegenwärtigen Turbulenzen könnten rund 750 000 Menschen betroffen sein. Das ist die Zahl der derzeit bei Leiharbeitsunternehmen angestellten Personen. Die meisten von ihnen werden an Betriebe der Metall- und Elektroindustrie vermittelt. Die Zahl der Zeitarbeitnehmer hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre fast vervierfacht. Der rapide Zuwachs wurde zum einen durch die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung begünstigt – die die Regeln für die Beschäftigung von Leiharbeitern gelockert hat. Zum anderen profitierte die Zeitarbeit wie kaum eine andere Branche vom Aufschwung. Die Unternehmen nutzten Leiharbeitnehmer, um kurzfristig Auftragsspitzen zu bewältigen.

Aber genau das ist das Dilemma der Branche. Denn werden die Auftragsbücher wieder dünner – wie es derzeit der Fall ist –, geht es als Erstes den Zeitarbeitern an den Kragen. Die Branche gilt als verlässlicher Frühindikator für die Konjunktur. Mit einer zweimonatigen Verzögerung folge dann die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, heißt es beim Institut der deutschen Wirtschaft.

Die Zeitarbeitsunternehmen erwarten allerdings erst im kommenden Jahr stärkere Auswirkungen des Abschwungs. „Ich rechne dann mit deutlichen Umsatzrückgängen“, sagt Manpower-Chef Reitz. Die Zahl der Zeitarbeitnehmer werde aber nur im schlimmsten Fall um zehn Prozent abnehmen, also um bis zu 80 000. Ähnliche Prognosen gibt es beim Wettbewerber Adecco.

Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, IAB, ist sogar noch zuversichtlicher. Dort rechnet man für 2009 wie auf dem gesamten Arbeitsmarkt lediglich mit einer Stagnation. „Es wird voraussichtlich keine Einbrüche bei der Zeitarbeit geben, aber auch keine weitere Expansion“, sagt Eugen Spitznagel, Leiter der Forschungsgruppe Arbeitszeit und Arbeitsmarkt beim IAB.

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