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Arbeitsmarkt: Kurzarbeit reicht nicht

Schlechte Nachrichten von der Bundesagentur für Arbeit: Die Zahl der Arbeitslosen steigt im Januar auf 3,49 Millionen. Der Abschwung ist nun definitiv auf dem Arbeitsmarkt angekommen. In Berlin hält sich der Anstieg der Arbeitslosenzahl bislang in Grenzen.

Berlin - Frank-Jürgen Weise ist wahrlich kein Mann für Übertreibungen. Wenn der sonst so sachliche Chef der obersten Arbeitsvermittlungsbehörde, der Bundesagentur für Arbeit (BA), schlechte Neuigkeiten ankündigt, muss es wohl ernst sein. „Es gibt keine guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt“, sagte Weise am Donnerstag bei der Vorstellung der neuen Daten in Nürnberg. Die drei wichtigsten Kennzahlen des Arbeitsmarktes entwickeln sich negativ. Die Arbeitslosigkeit steigt, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nimmt ab und die Nachfrage nach Arbeitskräften sinkt.

Der Abschwung ist nun definitiv auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Und das Tempo des Personalabbaus scheint selbst den BA-Chef zu überraschen: So legte die Zahl der Menschen ohne Job im Januar binnen eines Monats um 378 000 auf 3,49 Millionen zu und damit deutlich stärker als in den vergangenen beiden Jahren. Weise verwies zwar darauf, dass der rapide Anstieg zum Teil auf die sehr niedrigen Temperaturen im Januar zurückzuführen sei, die insbesondere Baubetriebe zu einem vorübergehenden Arbeitsstopp zwangen. Doch selbst wenn man diese Einflüsse herausrechnet, nahm die Erwerbslosenzahl um 56 000 zu. Dies ist der stärkste saisonbereinigte Anstieg seit November 2002, wenn man die Einführung der Hartz-IV-Reformen 2005 außer Acht lässt.

Der Abschwung erfasst nach Angaben der BA immer mehr Branchen. Besonders betroffen ist neben der Versicherungs- und Bankenbranche das Verarbeitende Gewerbe, das in den vergangenen Jahren noch das Zugpferd der deutschen Wirtschaft war. Zuletzt aber gingen die Aufträge aus dem Ausland rapide zurück. Für die exportabhängige Branche ist das ein harter Rückschlag. Berlin und Brandenburg wiederum zeigten in diesem Fall ihre Stärke, wie Margit Haupt-Koopmann, Chefin der regionalen Arbeitsagentur, am Donnerstag sagte. „Wir profitieren in der Region von der geringen Exportabhängigkeit“, sagte sie. Vom Bundestrend abheben kann sich die Region dennoch nicht: In beiden Bundesländern zusammen stieg die Zahl der Arbeitslosen im Januar um rund 41 500 auf gut 422 000.

BA-Chef Weise malt denn auch für die kommenden Monate ein wenig optimistisches Bild. Die Arbeitslosigkeit werde weiter steigen, sagte er. Eine genauere Prognose wagte er angesichts der ungewissen Entwicklung der Wirtschaft nicht.

Die BA und die Regierung setzen derweil ihre Hoffnungen in die Kurzarbeit, die im jüngst verabschiedeten Konjunkturpaket II nochmals vereinfacht wurde. In auftragsschwachen Phasen entlastet die BA damit Firmen bei den Mitarbeiterlöhnen und Sozialversicherungsbeiträgen. „Unser Appell an die Unternehmen lautet: Setzt die Leute nicht sofort vor die Tür, sondern greift auf die Instrumente zurück, die wir bieten“, bekräftigte die Berliner BA-Chefin Haupt-Koopmann. Sonst schnitten sie sich ins eigene Fleisch. „Die Firmen, die jetzt entlassen und auch nicht mehr ausbilden, werden im nächsten Aufschwung als erste vom Markt verschwinden“, prognostizierte sie.

Viele Unternehmen sind dem Appell bereits gefolgt. Allein im Dezember meldeten die Betriebe bei der BA fast 300 000 Beschäftigte aus konjunkturellen Gründen zur Kurzarbeit an – 30-mal so viele wie im Dezember 2007. Hinzu kommen 100 000 Arbeitnehmer, die wetterbedingt Saison-Kurzarbeitergeld erhalten. Beinahe verdoppelt hat sich in Berlin zwischen Dezember und Januar die Zahl der Unternehmen, die Kurzarbeit in Betracht zogen. Sie liegt aktuell bei gut 150.

Wie groß die Kurzarbeiterwelle noch wird, wagen Experten kaum abzusehen. Für die BA wird das ohnehin nicht nur teuer – die bisher für das laufende Jahr veranschlagten 300 Millionen Euro werden laut BA-Chef Weise etwa drei- bis vier Mal höher ausfallen – auch zweifeln Experten an der langfristigen Wirkung. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, rechnet damit, dass Kurzarbeit den Anstieg der Arbeitslosigkeit nur für eine Weile bremst. „Aber spätestens ab dem zweiten Halbjahr wird eine spürbare Zunahme der Erwerbslosigkeit nicht zu verhindern sein.“

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