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Der Präsident der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK), Eric Schweizer (l) und der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel (m.) bei der Pressekonferenz.

© dpa

Arbeitsmarkt: Neuer Pakt zur Flüchtlingsintegration

Ein bundesweites Netzwerk soll Unternehmen und Flüchtlinge zusammenbringen. Es passiert einiges, doch die Grundprobleme werden vorerst bleiben.

Farhad Delawari ist 27 Jahre alt und kommt aus Afghanistan. Seit neun Monaten lebt er in Wiesbaden, lernt die deutsche Sprache, macht ein Praktikum. „Ich wünsche mir, in Deutschland als Fliesenleger oder Elektriker arbeiten“, sagt er in einem Video und geht mit seinem Arbeitgeber einen hellen Flur entlang. Einer, der sich den Kurzfilm am Mittwoch ansieht, ist Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube. Keinen Meter entfernt von ihm steht DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Neben ihm Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Das Video ist eine Einleitung. Hin zu einem neuen, einem bundesweiten Netzwerk, das Gabriel und Schweitzer im Wirtschaftsministerium vorstellen. Es heißt „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ und soll Betrieben helfen, die einem Geflüchteten ein Praktikum, eine Ausbildung oder Beschäftigung anbieten wollen. Die Sprachausbildung sei wichtig, sagt Gabriel. Günstige Wohnungen zu schaffen auch. „Am Ende entsteht die Integration aber durch Arbeit.“ Dann erst könnten sich die Geflüchteten selbstständig eine Zukunft aufbauen und „Leistungsträger der Gesellschaft“ werden.

Netzwerk startet mit 330 Unternehmen

Die zum Netzwerk gehörende Online-Plattform startet mit 330 Gründungsunternehmen. Darunter sind große Konzerne wie RWE, aber auch kleine Handwerksbetriebe. Vier von ihnen stellten sich am Mittwoch vor, sprachen davon, „Vorbild zu sein“ und „jetzt zu helfen, nicht irgendwann“. Bahn-Chef Grube meinte: „Schon jetzt arbeiten bei uns in Deutschland Mitarbeiter aus 100 Nationen. Vielfalt in der Belegschaft steht uns gut zu Gesicht.“

Viele Betriebe sind offen und wollen ihren Beitrag leisten. Was es aber schwierig macht, sind nach wie vor die fehlenden Deutschkenntnisse und unzureichenden Qualifikationen, die kulturellen Unterschiede und die Planungsunsicherheit. Um letzteres zu vereinfachen, hat sich die Große Koalition im Asylpaket II auf die „3+2 Regelung“ geeinigt: Flüchtlinge, die eine Ausbildung beginnen, sollen eine Garantie dafür haben, die Lehre beenden und danach zwei Jahre arbeiten zu können. Unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Neue Regel gibt Betrieben Planungssicherheit

Vor allem die mittelständische Wirtschaft klagt seit längerem darüber, dass manche Azubis ihre Duldung immer wieder verlängern müssen und Betriebe nicht sicher sein können, ob der Azubi während und nach der Ausbildung bei ihnen bleiben kann. Ob der Auszubildende eine Investition ist, die sich lohnt. Grundsätzlich beginnen Ausbildungen am 1. September. Ob die Regelung bis dahin in Kraft tritt, konnte Gabriel nicht fest zusagen. Er meinte nur: „Das ist das Ziel.“ Die Altersgrenze, bis wann Flüchtlinge eine Lehre aufnehmen dürfen, wird von 21 auf 25 Jahre heraufgesetzt.

Arbeitgeber fordern darüber hinaus die Streichung der Vorrangprüfung. Bislang muss die Bundesagentur für Arbeit (BA) klären, ob es für eine offene Stelle einen passenden Bewerber aus Deutschland oder anderen EU-Staaten gibt. Erst wenn das nicht der Fall ist, kann der Job an einen Flüchtling vergeben werden. Eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt könne nicht von heute auf morgen gelingen, sagte Schweitzer am Mittwoch. „Das wird fünf bis zehn Jahre dauern.“

Von Seiten der Betriebe sei die Bereitschaft da, aber es gebe einen enormen Bedarf an Informationen. Deswegen soll es im Internet Praxis-Tipps geben. Auch rechtliche Fragen werden dort beantwortet. Welche Formen von Praktika kommen in Frage? Wer muss einer Ausbildung zustimmen? Was heißt eingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt? Gute Beispiele sollen die Betriebe motivieren. Regionale Veranstaltungen sollen Unternehmer zusammenbringen, um sich austauschen zu können. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt das Projekt mit 2,8 Millionen Euro.

Firmen suchen so viele Arbeitskräfte wie noch nie

Derzeit suchen deutsche Firmen – vor allem der Dienstleistungssektor – so viele Arbeitskräfte wie nie zuvor. Allein im Januar gab es laut Bundesagentur für Arbeit 581000 offene Stellen, 96000 mehr als ein Jahr zuvor. Trotzdem ist bei der Vermittlung arbeitsloser Asylbewerber nicht mit schnellen Erfolgen zu rechnen. Bevor ein Flüchtling nicht richtig Deutsch kann, brauche man mit der Jobvermittlung nicht zu beginnen, heißt es bei der BA.

Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur Eingliederung von vor 15 Jahren nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen zeigen zum Beispiel: Im ersten Jahr nach ihrer Ankunft fanden nur acht Prozent einen Job. Nach fünf Jahren stieg ihr Anteil auf 50, nach zehn Jahren auf 60 Prozent. Ein gutes Viertel der Flüchtlinge war allerdings auch nach 15 Jahren noch ohne eine Arbeitsstelle.

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