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Arbeitsmarkt: Praktikanten als Stellenersatz lohnen nicht

Für Studenten ist es oft schwer, nach dem Abschluss direkt eine Festanstellung zu bekommen. Das Praktikum ist für Arbeitssuchende und Unternehmen eine gern genutzte Zwischenlösung. Aber meist lohnt es sich für beide Seiten nicht.

Saarbrücken/Hannover - Für Hochschulabsolventen ist es nichts Neues: Praktika lohnen sich zumindest aus finanzieller Sicht kaum. Doch auch die Arbeitgeber zahlen nach Ansicht des Saarbrücker Personalexperten Prof. Christian Scholz unter Umständen drauf, wenn sie Absolventen nur als günstige Arbeitskräfte einsetzen. Karl Bosshard, Partner der Personalmanagement-Agentur Kienbaum Executive Consultants in Hannover, sieht das Problem in der Zukunft: "Es geht auch um demografischen Wandel und den Aufbau eines Potenzials, damit die Unternehmen nicht vergreisen."

"Man muss verschiedene Typen von Praktika unterscheiden", sagt Scholz, der an der Universität des Saarlandes den Lehrstuhl für Organisation und Personalmanagement inne hat. Niemand könne etwas dagegen haben, wenn motivierte, kreative Praktikanten engagiert werden, um neue Impulse in Unternehmen zu bringen oder Praktika als kleine Bewertungs-(Assessment-)Center zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter eingesetzt werden. "Die Unternehmen können sich dann in Ruhe die Besten aussuchen", fügt Bosshard hinzu.

37 Prozent machen nach Abschluss Praktika

"Praktika sind ein großer Probearbeitsmarkt", bestätigt auch Dieter Grühn vom Arbeitsbereich Absolventenforschung der Freien Universität Berlin. Er ist Autor der kürzlich veröffentlichten Studie von Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und Hans-Böckler-Stiftung zur "Generation Praktikum". Der zufolge machten 37 Prozent der Akademiker der FU Berlin und der Universität Köln auch nach ihrem Abschluss noch ein mehrmonatiges Praktikum. 49 Prozent gaben an, ihre Arbeit sei fest im Betriebsverlauf eingeplant gewesen. Kein Problem, heißt es in der Studie, wenn der Praktikant betreut werde und die Chance habe, viel zu lernen.

"Hochproblematisch sind als Praktika getarnte Dauerarbeitsplätze", sagt Scholz. Auch hier müssen allerdings aus Unternehmenssicht zwei Typen unterschieden werden. "Praktikanten auf anspruchslosen (low-skilled) Arbeitsplätzen können sich für Unternehmen lohnen." Hier gingen die Kosten für die Einarbeitung gegen Null, Lohnkosten würden gespart und Praktikanten ließen sich flexibel einsetzen.

Stellen-Ersatz lohnt sich nicht

Praktikanten als Ersatz auf normalen Stellen mit anspruchsvollen Aufgaben zahlen sich dagegen nicht aus: "Es muss viel nachbearbeitet und kontrolliert werden", sagt Bosshard. "Die Einarbeitungskosten sind viel höher, als man denkt", ergänzt Scholz. Dazu seien frustrierte Praktikanten auf schlecht bezahlten Stellen nicht motiviert. "Sie sind nicht produktiv und schreiben nebenher Bewerbungen oder ähnliches." Nicht zuletzt leide das Image des Unternehmens.

Diese Form von Praktika rechne sich für Unternehmen überhaupt nicht, so das Urteil des Saarbrücker Uniprofessors. "Das ist ein Fiasko." Die Praktikanten binden nicht nur andere Arbeitskräfte, weil sie eingearbeitet werden müssen, sie verschlechterten auch das Betriebsklima und verringerten so den Wert des gesamten Humankapitals eines Unternehmens.

Ein Fehler, den sich wirtschaftlich orientierte Unternehmen Dieter Grühn zufolge seltener leisten. Die Wirtschaft gehe verantwortlich mit Praktikanten um, sagt er. "Vor allem in Kunst, Kultur und Medien werden Absolventen als billige Arbeitskräfte ausgenutzt." Fast die Hälfte aller Praktika (47 Prozent), ergab seine Studie, werden nicht entlohnt, ein Großteil davon (41 Prozent) wurde im Bereich Kunst, Kultur und Medien absolviert.

Bosshard stellt die mittel- und langfristigen Folgen von in Dauerpraktika gefangenen Absolventen in den Vordergrund. "Die Unternehmen verbauen sich durch rein kurzfristiges Denken mittelfristiges Potenzial." Die heute 28- und 29-Jährigen müssten an Bord genommen werden, denn sie würden bei der derzeitigen demografischen Entwicklung irgendwann als Arbeitskräfte gebraucht. "Sie können nicht erwarten, dass diese Menschen mit 40 auf einmal fertig ausgebildet sind." Unternehmen sollten sich die Synergieeffekte verschiedener Altersgruppen zu Nutze machen. "Es muss eine ernsthafte Nachwuchsförderung geben", mahnt der Personalexperte. (Von Annika Graf, dpa)

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