zum Hauptinhalt

Arbeitsmarkt: Seitwärts in den Herbst

Die Arbeitslosigkeit steigt wieder – aber weder BA noch Arbeitsministerin von der Leyen werten das als Wende zum Schlechten. Berlin koppelt sich teilweise vom Trend ab.

Die Krise kommt an. Erstmals seit zweieinhalb Jahren - seit Februar 2010 - ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen. Verglichen mit dem Vorjahresmonat waren im Oktober 16 000 Menschen mehr ohne Beschäftigung – insgesamt 2,75 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag in Nürnberg mitteilte. Im direkten Vergleich zum September sank die Zahl der Erwerbslosen zwar um 35 000. Saisonbereinigt – unter Herausrechnung jahreszeitlich bedingter Schwankungen auf dem Bau oder in der Gastronomie – stieg sie jedoch um 20 000. Ökonomen hatten mit einer deutlich geringeren Zunahme gerechnet.

Dass dies bereits der fünfte saisonbereinigte Anstieg in Folge war, versetzt BA-Chef Frank-Jürgen Weise nicht in Aufregung. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Arbeitsmarkt kippe. „Wir sehen keine Trendwende, wir sehen eine Seitwärtsbewegung“, kommentierte er die aktuellen Werte. Tatsächlich blieb die Erwerbslosenquote stabil bei 6,5 Prozent im Bundesdurchschnitt. Dennoch würde diese Seitwärtsbewegung einem Wasserwaagentest nicht standhalten: Für Januar 2013 erwartet Weises Behörde wieder einen Anstieg auf über drei Millionen Arbeitslose.

Keinen Grund zur Unruhe sieht auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sowohl bei der Erwerbstätigkeit und der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigten sich „nur minimale Auswirkungen“, sagte die Ministerin in Berlin. Beide entwickelten sich positiv, aber deutlich langsamer als zuletzt. „Auch die aktuelle Kurzarbeiterstatistik lässt noch kein Krisenszenario erkennen.“ Bankenvolkswirte sind weniger entspannt. Vor allem in der Autoindustrie ließen Unternehmen inzwischen wieder kurzarbeiten oder zögen dies in Erwägung, sagte Bernd Hartmann von der VP Bank der Nachrichtenagentur Reuters.

Wegen der schwachen Nachfrage sind vor allem Massenhersteller wie Opel oder Ford unter hohem Druck. Aber auch der Lkw-Hersteller MAN ließ zuletzt Bänder stillstehen. „Die Schwäche im Automobilbau wird auch Auswirkungen auf die Beschäftigung im für Deutschland wichtigen Maschinenbau haben“, vermutet Hartmann. Grundsätzlich halten die meisten Fachleute die Beschäftigungslage zwar für robust. „Aber Deutschland ist nicht immun gegen die Euro-Krise“, sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank.

Der schwach ausgeprägte Industriesektor kommt Berlin in dieser Situation entgegen. Während in sechs Bundesländern die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vorjahresmonat sogar leicht stieg – darunter die bevölkerungsreichen Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen –, koppelte sich der Berliner Arbeitsmarkt im Oktober teilweise vom Bundestrend ab: Insgesamt waren 205 527 Menschen ohne Job, 2387 weniger als im Vormonat und 10 274 weniger als vor einem Jahr. Saisonbereinigt stieg die Zahl im Vergleich zum Vormonat um 1000, zum Oktober 2011 sank sie jedoch um 11 000.

Der hohe Sockel aber, den Berlin seit Mitte der 90er Jahre hat, schmilzt nur langsam. Die Arbeitslosenquote lag mit 11,7 Prozent zwar um 0,1 Prozentpunkte unter der des Vormonats und um 0,8 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Berlin ist aber noch immer das Bundesland mit der höchsten Quote. Für Dieter Wagon, Leiter der regionalen Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg, überwiegt das Positive. „Die Arbeitslosigkeit geht in Berlin weiter zurück, die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin ist weiterhin gut und sie kommt auch am Arbeitsmarkt an.“

Spitzenreiter bleibt die Hauptstadt aber beim Anteil der Bezieher von Arbeitslosengeld II. Mit 16,2 Prozent ist er so groß wie in keinem anderen Bundesland und fünf Mal so hoch wie in Bayern. Bundesweit hat die Zahl der Hartz-IV-Empfänger mit gut sechs Millionen im Oktober zwar den niedrigsten Stand seit der Einführung erreicht. Der Deutsche Landkreistag warnt aber vor einer Trendwende.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false