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© dpa-Zentralbild

Arbeitsmarkt: Weniger Arbeitslose – und mehr Sorgen

Der Jobmarkt erholt sich im September leicht. Tatsächlich fehlen aber weitaus mehr Stellen, als offiziell eingestanden wird.

Berlin - Trotz der noch immer großen Probleme in der deutschen Wirtschaft zeigt sich der Arbeitsmarkt weiterhin robust. 3,35 Millionen Menschen ohne Job zählte die Bundesagentur für Arbeit im September, das waren 125 000 weniger als im Vormonat. Vor allem die Kurzarbeit hat verhindert, dass die Beschäftigung stärker zurückgegangen ist. Wirtschaftsforscher rechnen aber damit, dass die Zahl der Erwerbslosen in den kommenden Monaten noch deutlich steigen wird.

Die übliche Belebung nach den Sommermonaten fiel damit beinahe so stark aus wie in normalen Zeiten. Im Schnitt der vergangenen drei Boomjahre war die September-Arbeitslosigkeit um 140 000 zurückgegangen. Frank-Jürgen Weise, der Chef der Bundesagentur für Arbeit, warnte vor Optimismus. „Das ist noch keine Trendwende“, sagte er in Nürnberg. Bereinigt um Saisonschwankungen fiel die Arbeitslosenzahl nur um 12 000. Es sei jedoch „eine gute Nachricht“, dass es mitten in der tiefen Krise überhaupt eine Herbstbelebung gebe. Nach den Werksferien hätten die Unternehmen gute Aufträge und stellten neues Personal ein, vor allem im Dienstleistungsbereich. Zugleich lobte Weise sich und die Regierung. „Wir in Deutschland haben die Arbeitslosigkeit offensichtlich besser gemanagt als viele andere Länder.“

In Berlin ging die Arbeitslosenzahl zum Vormonat um 5400 zurück und sank auf knapp 237 000. In Brandenburg fiel der Rückgang stärker aus, 8500 Menschen weniger suchten eine Stelle, insgesamt waren es rund 154 000.

Stabilisiert wird der Arbeitsmarkt allerdings massiv durch die Kurzarbeit. Nach den neuesten BA-Zahlen arbeiteten im Juni mehr als 1,4 Millionen Arbeitnehmer wegen der schwachen Konjunktur kurz, vor allem in der Industrie. Rein rechnerisch wären dies nach Angaben der Behörde 432 000 Vollzeit-Stellen. Tatsächlich fehlen noch viel mehr Arbeitsplätze in der Republik. Wer ein Training, eine Weiterbildung oder eine Umschulung absolviert oder schon in Altersteilzeit arbeitet, taucht nicht in der üblichen Statistik auf. Rechnet man Kurzarbeiter und die Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zusammen, kommt man auf gut 4,9 Millionen fehlende Stellen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich in den kommenden Monaten aber womöglich eintrüben. Die Frage ist, ob die beginnende Erholung der Wirtschaft stark genug ausfällt, um Entlassungen zu verhindern. Alexander Koch, Jobexperte der Hypo-Vereinsbank, ist skeptisch. „Der solide Aufschwung in der Industrie wird nicht ausreichen, um beträchtliche Jobverluste in den kommenden Monaten zu verhindern“, urteilte er. Noch für lange Zeit würden die Unternehmen keine neuen Stellen schaffen – er rechnet mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl auf bis zu 4,3 Millionen. Auch Eckart Tuchtfeld von der Commerzbank nimmt an, dass es „bis weit in das Jahr 2010 hinein“ einen Anstieg der Arbeitslosigkeit geben werde.

Gestützt werden diese Prognosen von den zurückgehenden Neuanträgen auf Kurzarbeit – gab es im Juni noch mehr als 200 000, waren es im September nur noch halb so viele. Annelie Buntenbach vom Vorstand des Deutschen Gewerkschafts-Bundes sagte, die Erwerbslosenzahlen dürften nicht darüber hinwegtäuschen, „dass der Arbeitsmarkt im Herbst vor der Nagelprobe steht“. Sie rechnet mit einer baldigen „Entlassungswelle“.

BA-Chef Weise hält die Perspektiven indes für besser. „Von Januar bis März ist es nicht zu erwarten, dass die Zahl über vier Millionen liegen wird, es ist aber auch nicht ganz auszuschließen.“

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