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Wirtschaft: Arbeitsmarktpolitik à la française

Französischer Staat schafft neue Stellen im sozialen Sektor für jugendliche ArbeitsloseVON TIM KÖHLER BERLIN.Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich hat in jüngster Zeit dramatisch zugenommen: 1992 waren noch 19 Prozent aller 15- bis 24-jährigen ohne Arbeit, 1997 betrug die Quote bereits 28,1 Prozent (In Zahlen: 625 000).

Französischer Staat schafft neue Stellen im sozialen Sektor für jugendliche ArbeitsloseVON TIM KÖHLER BERLIN.Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich hat in jüngster Zeit dramatisch zugenommen: 1992 waren noch 19 Prozent aller 15- bis 24-jährigen ohne Arbeit, 1997 betrug die Quote bereits 28,1 Prozent (In Zahlen: 625 000).Die Öffentlichkeit in Frankreich ist über diese Zahl alarmiert, und der französische Premierminister Lionel Jospin hat darauf reagiert, indem er ankündigte, in den nächsten fünf Jahren im öffentlichen Bereich und bei gemeinnützigen Verbänden und Institutionen 350 000 auf fünf Jahre befristete Arbeitsstellen für arbeitslose Jugendliche zu schaffen. Es handelt sich dabei um tatsächlich benötigte Arbeitsplätze, die faktisch vorhandene, aber bisher nicht befriedigte Bedürfnissen erfüllen.Dahinter steht die Idee der Regierung, einen "dritten Sektor" zu installieren, bei dem es hauptsächlich um soziale Belange geht. Für das Jahr 1998 hat sich die französische Regierung verpflichtet, über 100 000 solche Stellen zu finanzieren."Bis Ende 1997 hat die Regierung tatsächlich 40 000 solche Stellen geschaffen.Damit hat sie das Ziel von 50 000 zwar nicht ganz erreicht, aber es ist besser als nichts.An dem Ziel von insgesamt 150 000 Stellen bis Ende 1998 hält die jedenfalls Regierung fest", erklärt Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg.Überwiegend wurden die Stellen in Schulen und bei der Polizei geschaffen.Junge Arbeitslose arbeiten hier als Hilfslehrer oder Wachpersonal.Neuerdings gebe es über 70 000 Anträge von Vereinen und Verbänden, erläutert Uterwedde."In Frankreich herrscht großer Enthusiasmus über dieses Programm.Und für einen Jugendlichen sind fünf Jahre fast wie eine Lebensstellung." Uterwedde sieht das Programm dennoch kritisch.Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 28 Prozent in Frankreich, sei es allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.Außerdem: In den Schulen etwa finden nur junge Leute eine Stelle, die wenigstens zwei Jahre studiert oder eine höhere Schule besucht haben.Da werde also allenfalls die Avantgarde der Arbeitslosen Jugendlichen abgeschöpft."Aber was passiert mit den wirklichen Problemfällen?", gibt Uterwedde zu bedenken. Kritik an dem Programm wird auch in Frankreich geäußert: Insbesondere wird von Gewerkschaftsseite bemängelt, daß der Plan keine Qualifizierungsmaßnahmen für die Jugendlichen vorsieht, und damit die Chancen auf einen späteren Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt mindert.Die politische Opposition moniert, daß durch diese Stellen mittelfristig die öffentlichen Beschäftigungsverhältnisse vermehrt werden.Dies konterkariere die Sparpolitik, und außerdem bestehe die Gefahr, daß Billigkräfte qualifizierte Beschäftigte in wichtigen Bereichen wie Schule und Polizei verdrängen. Die Kosten des Programmes mit dem Namen "emploi jeune", werden im fünften Jahr, wenn alle Stellen besetzt sind, 34 Mrd.Franc (rund 11.Mrd.DM) betragen.Das bedeutet 92 000 Franc pro Arbeitsplatz und Jahr.Dies entspricht 80 Prozent des gesetzlich garantierten Mindesteinkommens SMIC plus dem Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben.Mit der Jugendarbeitslosenquote von 28,1 Prozent hat Frankreich eine neue Rekordmarke erreicht.Innerhalb der EU weist Frankreich - nach Spanien und Finnland - die dritthöchste Quote auf.Die durchschnittliche Dauer der Arbeitssuche der jugendlichen Arbeitslosen beträgt acht Monate.Der Anteil der Langzeitarbeitslosen mit über einem Jahr Arbeitslosigkeit beläuft sich in Frankreich inzwischen insgesamt auf 38,2 Prozent.Immer mehr - insbesondere geringqualifizierte Jugendliche - sind von ihr betroffen.

TIM KÖHLER

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