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Wirtschaft: Arbeitsmarktpolitik: Niedriglöhne scheitern im Praxistest

Lohnsubventionen bringen kaum neue Arbeitsplätze. Das ist das vorläufig Ergebnis von so genannten Modell-Projekten, mit denen die Förderung eines Niedriglohnbereichs getestet wird.

Lohnsubventionen bringen kaum neue Arbeitsplätze. Das ist das vorläufig Ergebnis von so genannten Modell-Projekten, mit denen die Förderung eines Niedriglohnbereichs getestet wird. Die Projekte finden kaum Resonanz. Wissenschaftler fordern nun eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und insbesondere eine Reduzierung von ABM. Die Gewerkschaften wollen an den bisherigen Instrumenten festhalten.

Von einem Niedriglohn-Sektor, den der Staat subventioniert, hatten sich Fachleute im Bündnis für Arbeit einen starken Effekt zur Senkung der Arbeitslosigkeit erhofft. Doch zehn Monate nach dem Start von vier Modellprojekten, die befristete Lohnsubventionen für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose vorsehen, herrscht Ernüchterung. Nur rund 400 Stellen mit der neuen Förderung wurden nach Tagesspiegel-Informationen bislang geschaffen. Vor allem in den neuen Ländern ist die Resonanz auf den Praxistest gering. Damit das System der Lohnsubventionen als erfolgreich bezeichnet werden kann, sind mindestens 2500 Teilnehmer der Modellprojekte nötig, sagen Arbeitsmarkt-Fachleute. Bei der geringen Teilnehmerzahl ist ein flächendeckender Einsatz unwahrscheinlich.

Bis zum Jahre 2003 sollen in vier Regionen direkte staatliche Lohnsubventionen getestet werden - in Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Sachsen und im Saarland. In Rheinland-Pfalz und in Brandenburg erhöht der Staat die Nettolöhne der Arbeitnehmer, indem er ihre Sozialbeiträge bezuschusst. Die Idee: Ist der Nettolohn höher als die Sozialhilfe, steigt der Arbeitsanreiz. In Sachsen und im Saarland werden dagegen die Sozialbeiträge, welche die Unternehmen zahlen, vom Staat gefördert.

Trotz massiver Werbung - das Landesarbeitsamt Chemnitz etwa sprach 1160 Unternehmen an - gibt es jedoch erst eine einzige bezuschusste Stelle in Sachsen. Im Saarland werden 59 Arbeitnehmer gefördert; ursprünglich hatte das Saarbrücker Arbeitsministerium mit bis zu 2000 zusätzlichen Jobs gerechnet. Erfolgreicher ist das Projekt in Rheinland-Pfalz: Dort sind etwa 300 Anträge auf Lohnsubvention bewilligt. Wegen des geringen Erfolgs hatte die Bundesregierung die Dauer der Förderung im Mai bereits ausgeweitet - von 18 auf 36 Monate. Für die Lohnzuschüsse wollen Bund und Länder für 2000 und 2001 ingesamt 72 Millionen Mark zur Verfügung stellen.

Der Grund für das dürftige Interesse liegt für Arbeitsmarkt-Experten an der Vielzahl konkurrierender Förderprogramme, die der Staat zur Eingliederung von Beschäftigungslosen in den Arbeitsmarkt anbietet. "Unternehmen können über andere Wege deutlich höhere Subventionen für die Einstellung von Langzeit-Arbeitslosen oder Geringqualifizierten bekommen, vor allem in den neuen Ländern", sagte Christoph M. Schmidt, Wirtschaftsprofessor an der Universität Heidelberg. Die Regierung will das Projekt dennoch weiter beobachten. "Es ist noch zu früh, um Schlüsse zu ziehen", sagte eine Sprecherin von Arbeitsminister Walter Riester (SPD).

Die Idee der Lohnsubvention hält Arbeits-Professor Schmidt trotzdem nicht für gescheitert. Teuer und unwirksam seien eher andere Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik (vgl. Lexikon, S. 18) der Regierung - sie müssten gestrichen werden, findet er. "Öffentlich geförderte Beschäftigung, etwa Arbeitsbeschaffungs- oder Strukturanpassungsmaßnahmen, ist extrem teuer und wirkt nicht." Effektiver sei eine praxisnahe Weiterbildung. Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sprach sich für Reformen aus. "ABM-Maßnahmen kosten rund neun Milliarden Mark, bei einer Streichung könnte man die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 0,7 Prozentpunkte senken und so mehr Jobs schaffen", schlug der IW-Arbeitsmarkt-Fachmann Holger Schäfer vor. Der Deutsche Gewerkschafts-Bund lehnte dies jedoch ab. "Lohnsubventionen sind im Osten nicht wirksam, weil es dort zu wenig Unternehmen gibt. Dort ist die staatliche Arbeitsbeschaffung weiterhin nötig", sagte Vizechefin Ursula Engelen-Kefer.

brö

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