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Arcandor: Der Staatsschirm soll schützen

Der Handelskonzern Arcandor braucht dringend frisches Geld – nun ist die Regierung gefragt.

Düsseldorf - Der richtige Mann zur richtigen Zeit, sagen die einen. Finanzexperte, Schwabe, mit viel Erfahrung. Um einmal Chef zu sein, hat er sich auf unmögliche Mission begeben, urteilen die anderen. Die Rede ist von Karl-Gerhard Eick, Vorstandsvorsitzender und Chefsanierer beim angeschlagenen Handels- und Tourismuskonzern Arcandor. Welche Sicht im Rückblick überwiegen wird, ist noch völlig offen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die kommenden Wochen diese Frage entscheiden.

Bis zum 12. Juni muss Eick einen Kredit über 650 Millionen Euro verlängern. Sonst droht die Insolvenz. Im Herbst wird die nächste Tranche von 300 Millionen Euro fällig. Weitere 900 Millionen kostet das vorgesehene Sanierungsprogramm für den einst unter Karstadt-Quelle firmierenden Konzern. Am heutigen Sonntagnachmittag trifft sich der Aufsichtsrat zu einer außerordentlichen Krisensitzung in der Essener Konzernzentrale. Dort muss der Vorstand über den Stand der Sanierung berichten, wie aus dem Kontrollgremium zu hören war.

Zu besprechen gibt es genug. Der Konzern soll bei zehn Banken mit einer Nettoverschuldung von mehr als zwei Milliarden Euro in der Kreide stehen. Hauptgläubiger sind die drei Hausbanken Commerzbank, BayernLB und Royal Bank of Scotland (RBS).

Dazu leidet das operative Geschäft. Am Donnerstag gab die Tourismustochter Thomas Cook schmerzliche Verluste in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2008/2009 bekannt. Der Gesamtkonzern verschob die Verkündung seiner Zahlen auf den Freitag vor Pfingsten.

In den 123 Filialen der Warenhaustochter Karstadt wächst die Verunsicherung. Spekulationen, wonach die Gehälter für Mai nicht mehr gezahlt werden können, musste Eick zuletzt über die Medien entgegentreten. „Viele Leute fragen, ob sie morgen noch Arbeit haben“, berichtet Hellmut Patzelt, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und stellvertretender Chef des Aufsichtsrates.

Auch die Lieferanten spüren die Krise des Handelsriesen. Nach Informationen der Auskunftei Creditreform bezahlt Arcandor seine Rechnungen bereits seit einiger Zeit durchschnittlich zehn Tage später als vereinbart.

In dieser Situation scheint der Staat die einzige Rettung. Seit Wochen ist Eick dafür unterwegs. Er trifft sich mit den Führungszirkeln von Behörden und Ministerien. Viele seiner Gesprächspartner kennt der langjährige Finanzvorstand der Telekom persönlich. Eick spricht in Berlin, Düsseldorf und Brüssel vor und wirbt um Unterstützung. Seit Freitag ist es offiziell: Arcandor bekundet Interesse an Bürgschaften der Bundesregierung in Höhe von 650 Millionen Euro. Ein entsprechender Antrag soll in der kommenden Woche eingereicht werden. Zudem bewerbe man sich um einen Kredit bei der staatlichen Förderbank KfW Bankengruppe.

Ähnlich wie Opel oder Schaeffler begründet Arcandor den Hilferuf mit seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung und der schwierigen Refinanzierung. Das zweite Argument wiegt dabei schwerer: An neue Kredite zu kommen, ist für Arcandor wohl derzeit bei allen Instituten äußerst schwierig. Bei den eigenen Hausbanken erscheint es nahezu unmöglich. Sowohl die Commerzbank als auch BayernLB und RBS waren in der Krise bereits selbst auf staatliche Stütze angewiesen. Das Letzte, was sie jetzt brauchen, sind große Kreditrisiken. Deshalb hofft Arcandor auf die Bürgschaften der Bundesregierung. Sie sollen die Gläubiger besänftigen und zum Einlenken bringen. „Wir brauchen Hilfe und wir setzen auf Berlin“, sagte Aufsichtsratsmitglied Patzelt dem Tagesspiegel am Sonntag. Doch offenbar sperrt sich einer der größten Gläubiger gegen die Lösung. Die Royal Bank of Scotland weigere sich, die Anstrengungen auf Staatsbürgschaften zu unterstützen, meldet die Wochenzeitung „Euro am Sonntag“. Commerzbank und BayernLB seien dagegen bereit, einen Antrag auf Staatshilfe zu unterstützen.  Sie sind selbst ganz oder teilweise in Staatshand.

Zusätzlich setzt Arcandor auf öffentlichen Druck. Das Kalkül: Einen Konzern mit 86 000 Mitarbeitern, davon rund 53 000 in Deutschland, deren Filialen allein in 36 Städten das einzige Warenhaus stellen, lässt kein Politiker Pleite gehen – schon gar nicht in Wahlkampfzeiten. Dabei erfüllt Arcandor eine der zentralen Auflagen für Staatshilfe eindeutig nicht. Der Konzern ist keinesfalls erst seit Anfang Juli 2008 in finanzieller Schieflage, wie es der Gesetzgeber für die Hilfszusage fordert. Nach Berechnungen des „Handelsblatts“ steckte Arcandor seit 2004 bereits 1,7 Milliarden Euro in die Sanierung der Waren- und Versandhäuser.

Nun sollen es noch einmal 900 Millionen Euro sein. Mit dem Geld will Eick ein Konzept umsetzen, das er in den vergangenen Monaten zusammen mit der Unternehmensberatung Roland Berger entwickelt hat. Es zielt bei Karstadt und der Versandsparte Primondo (Quelle) auf die Kundschaft der „profilierten Mitte“ und erklärt die Nobelkaufhäuser KaDeWe, Alsterhaus und Oberpollinger sowie einige weitere Filialen zu Verkaufsobjekten. Laut Arcandor gibt es bereits mehrere Interessenten aus dem In- und Ausland.

Wie zukunftsfähig diese Pläne sind, wird derzeit emsig geprüft. Medienberichten zufolge lassen mehrere Banken das Konzept gerade von der Unternehmensberatung KPMG unter die Lupe nehmen, der Bund hat dafür offenbar den Konkurrenten Pricewaterhouse-Coopers beauftragt. Die Zeit drängt. Bis Anfang Juni müssen die Gutachten fertig sein.

Bis dahin gilt bei Arcandor das Prinzip Hoffnung. „Unsere Mitarbeiter haben eine Zukunft verdient“, erklärt Hellmut Patzelt kämpferisch.

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