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Arcandor: "Ich mache eine Tingeltour"

Der vorläufige Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg muss ganz schnell ganz viel Geld auftreiben.

Essen - Vor der Tür steht eine einfache Frage, gemalt mit roter Wasserfarbe auf hellem Holz: „Warum?“. Mitarbeiter des insolventen Arcandor-Konzerns haben das Schild an der Zentrale in Essen-Bredeney aufgestellt und davor eine Kerze angezündet. Rund 50 000 Beschäftigte sind von der Insolvenz betroffen. Viele von ihnen wollen wissen, wie es so weit kommen konnte. Den Mann, in dessen Händen nun ihre Hoffnungen ruhen, interessiert das wenig. Klaus Hubert Görg, seit etwas mehr als einer Woche vorläufiger Insolvenzverwalter des Konzerns, richtet den Blick nur nach vorne.

Seit dem 9. Juni gilt bei Arcandor eine neue Zeitrechnung und Görg ist der Fixpunkt, um den sich alles dreht. Der Kölner Wirtschaftsanwalt schläft seitdem nicht viel, wie er sagt. Ständig reist er zwischen Essen und dem Quelle-Sitz in Nürnberg hin und her. Am Donnerstag stand der erste öffentliche Auftritt an. Ein Termin, den der 68-Jährige sichtbar genoss.

Als Görg um Punkt 13 Uhr anfängt zu sprechen, ist der Schulungsraum 3 in der Arcandor-Zentrale gut gefüllt. Zahlreiche Medienvertreter wollen hören, was er zu dem größten Insolvenzverfahren der deutschen Wirtschaftsgeschichte zu sagen hat. Zunächst beschreibt Görg seine genaue Zuständigkeit. „Als vorläufiger Insolvenzverwalter mache ich bisher eine vorläufige Bestandsaufnahme“, sagt er. Mehrfach verweist Görg auf die knappe Zeit, die er bisher hatte. „Da wissen Sie mehr als ich“, sagt er dann, oder „da bin ich kein Fachmann“. Mit einer Hand in der Hosentasche gewährt Görg einen Einblick in die Rettungsaktion des Großkonzerns, die seit einer Woche eine neue dramatische Wendung nimmt.

Betroffen ist die Versandhaustochter Quelle, die inzwischen eindeutig zum Sorgenkind des Konzerns avanciert ist und Görg im Moment „von morgens bis abends beschäftigt“. Seit Donnerstag vergangener Woche ist Quelle von den Zahlungseingängen seiner Kunden abgeschnitten, weil die ebenfalls in Essen ansässige Valovis-Bank ihre Zusammenarbeit mit dem Unternehmen nach dem Insolvenzantrag gekündigt hat. Die Bank wickelt die Zahlungseingänge der Quelle-Kunden ab, die sich bei Ratenzahlungen häufig über viele Monate hinziehen. Görg zufolge fließen die gesamten Einnahmen von Quelle über Valovis, das Verhältnis zu dem Kreditinstitut sei für das Versandhaus „kriegsentscheidend“.

Nur mit einer staatlichen Bürgschaft über 50 Millionen Euro für die Bank hofft der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Wiederaufnahme der dringend benötigten Zahlungen. Geld fehlt bei Quelle derzeit selbst für unverzichtbare Ausgaben wie den Druck des anstehenden Kataloges. Noch im Juni sollten die Kunden über die neuen Angebote für Herbst und Winter informiert werden. Aber ohne gesicherte Finanzierung für die Druckereien geht das nicht, erklärt Görg.

Die Gespräche laufen auf Hochtouren, in Berlin genauso wie in München. „Ich mache jetzt die gleiche Tingeltour wie zuletzt der Vorstand von Arcandor“, sagt Görg mit ironischem Unterton. Seit dem Wochenende tue er eigentlich nichts anderes, als über Quelle zu palavern. Das ging auch am Donnerstagabend weiter. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte Görg zu einer Kabinettssitzung in die Münchener Staatskanzlei geladen. Am Nachmittag erklärte Seehofer im Landtag bereits seine Bereitschaft, sich an einer Bürgschaft für Quelle zu beteiligen.

Die Konkurrenz rechnet dagegen mit einer endgültigen Pleite des Versandhauses. „Wir glauben nicht, dass die Sanierung von Quelle erfolgreich möglich ist“, sagte Otto-Chef Hans-Otto Schrader.

Auch an die Mitarbeiter von Karstadt richtet Görg am Ende seines einstündigen Vortrags klare Worte. Es werde „betriebsbedingte Kündigungen geben müssen“. Auch sei nur sinnvoll, Filialen mit sicheren und profitablen Arbeitsplätzen zu erhalten, sagt Görg. Bis zur offiziellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens im September schloss er Kündigungen aus. Ein anderer Satz von Görg wird den Mitarbeiter gefallen haben: „Ich habe Herrn Eick aufgefordert, auf einen Teil seines Gehaltes zu verzichten.“

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