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Arcandor-Insolvenz: Politik außerhalb jeder Kontrolle

Mit fadenscheinigen Begründungen hat die Politik Arcandor in die Insolvenz geschickt. Nun wird der Konzern zerrissen. Werden auch andere Unternehmen allein gelassen?

Kaum hat der Touristik- und Warenhauskonzern Arcandor Insolvenz angemeldet, wachsen Wut und Enttäuschung über die wohl größte Pleite in der bundesdeutschen Firmengeschichte - nicht nur unter den unmittelbar Betroffenen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier holte die große Keule raus: Es könne nicht sein, dass der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen, sagte er der Bild-Zeitung, die von Managern und Poltikern in Sachen Arcandor zum Mitteilungsblatt auserkoren wurde.

Karl-Theodor zu Guttenberg steht hingegen zur Entscheidung, Karstadt und Quelle sowohl staatliche Bürgschaften als auch einen Notkredit zu versagen. Kanzlerin Angela Merkel unterstützt ihn. Beide finden, dass Gläubiger und Eigner nicht genug Engagement gezeigt hätten. Wie bitte?

Natürlich ist es immer gut, zunächst die Eigentümer in die Pflicht zu nehmen. Allerdings sollte man sicher sein, dass bei ihnen auch etwas zu holen ist. Andernfalls sind solche Forderungen eher ein Vorwand. Die Großaktionäre von Arcandor, die Privatbank Sal. Oppenheim und die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, hatten erklärt, ihren Beitrag zu leisten: 150 Millionen Euro wollten sie beisteuern. In den Augen der Bundesregierung war das nicht genug. Welche Summe man erwartet hatte, wurde öffentlich nicht bekannt.

Bei dem Vorwurf, die Gläubiger hätten mangelnde Verantwortung gezeigt, wird die Sache richtig pikant. Große Gläubiger sind die Commerzbank und die BayernLB. An der Commerzbank ist der Bund mit 25,1 Prozent beteiligt. Mächtiger Anteilseigner der BayernLB ist das Land Bayern. Kurzum: Merkel und Guttenberg beklagen das Verhalten von Banken, an denen der Staat selbst beteiligt ist.

Wissen sie noch, was sie tun? Die Frage stellt sich auch im Zusammenhang mit dem Deutschlandfonds, durch den der Staat die Wirtschaft vor der Krise retten will. Schon sollen es über 1000 Unternehmen sein, die eine staatliche Bürgschaft oder Kredite möchten. Für sie ergeben sich drängende Fragen: Inwiefern hat Arcandor angeblich die Kriterien dieses Fonds nicht erfüllt? Werden auch sie allein gelassen?

Es soll nur Unternehmen geholfen werden, die nicht schon vor Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen seien, hieß es sowohl im Bundeswirtschaftsministerium als auch in der EU-Wettbewerbskommission. Nur: Öffentlich wurde nie belegt, warum das im Fall von Arcandor zutreffen sollte.

Die bisherigen Entscheidungen aus Berlin lassen alle Hoffnung schwinden, dass es gerecht zugeht im Verteilungskampf um öffentliche Mittel. Es bleibt nebulös, von welchen Fakten sich das politische Spitzenpersonal leiten lässt, wenn es über das Schicksal Zigtausender Menschen entscheidet. Die Verteilung von Steuergeldern in einem unvorstellbaren Ausmaß lässt sich so unmöglich kontrollieren.

Arcandor aber wird durch die Insolvenz zerrissen. Die Reisetochter Thomas Cook ist davon zwar nicht betroffen, die Geschäfte gehen dort ganz normal weiter. Doch der Anteil von Arcandor an dem Touristikunternehmen wird wohl in den Besitz jener Banken übergehen, die sich längst dessen Aktien als Pfand für ihre Kredite gesichert haben.

Das Versandhaus Quelle ist hingegen voll in den Abwärtssog geraten.  Auch dort bangen 15.000 Menschen um ihre Arbeit. Natürlich ist es nicht so, dass bei einer Insolvenz auf einen Schlag gleich alle Geschäfte schließen müssen. Die bereits eingeleitete Sanierung hätte jedoch die Chance geboten, deutlich mehr Arbeitsplätze zu erhalten. Das liegt schon allein daran, dass auch Geschäftspartner von einer Pleite in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Post hat bereits verkündet, dass bei ihr 4000 Mitarbeiter betroffen wären.

Es sieht ganz so aus, als müsste Arcandor für das Abenteuer Opel büßen. Vertrauen in die Politik schafft das nicht.

ZEIT ONLINE

Gunhild Lütge

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