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Arcandor: Lage bei Arcandor immer schlimmer

Ein neuer Bericht zeigt, dass die Lage des Touristik- und Warenhauskonzerns weit kritischer ist als bisher angenommen. Das Eigenkapital ist fast weg - dafür sind aber weniger Arbeitsplätze gefährdet.

Düsseldorf/Berlin - Die finanzielle Situation der Karstadt-Mutter Arcandor ist einem Gutachten zufolge noch schlechter als bisher bekannt. Zugleich schwinden die Chancen auf Staatshilfe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich am Donnerstagabend auf einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin ablehnend. „Wir geben denen Hilfe, die gut gewirtschaftet haben und durch die Krise unverschuldet in Not geraten sind“, sagte sie. „Aber wenn ein Unternehmen schon im vorigen Juli in Schwierigkeiten geraten war, dann kann man heute nicht sagen, die Schwierigkeiten kommen aus der Finanzkrise“, sagte die Kanzlerin. Anders als im Fall Opel gebe es bei Arcandor „reiche Eigentümer und gute Gläubiger“, die nicht einfach den Staat um Hilfe bitten könnten. „Sondern dann müssen die erstmal versuchen, sich selber zu helfen“, forderte Merkel.

Am Donnerstag wurden Details aus einem Gutachten bekannt, das ein noch düstereres Bild vom Zustand des Konzerns zeichnet als bisher bekannt. Das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PWC) liegt dem „Handelsblatt“ exklusiv vor. Die Bundesregierung hatte die Analyse in Auftrag gegeben, weil Arcandor zur Rettung des Unternehmens um eine Bürgschaft des Staates bittet. Am 12. Juni werden Kredite im Volumen von 650 Millionen Euro fällig. Die „Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit“ liege bei 20 Prozent, heißt es nun in dem Gutachten. Entsprechend hoch wäre im Falle einer Staatsbürgschaft die Gefahr, dass der Steuerzahler bereits in den ersten zwölf Monaten zur Kasse gebeten würde.

Anders als am Mittwoch von Arcandor-Finanzvorstand Rüdiger Günther dargestellt, besitzt Arcandor offenbar keineswegs mehr ein Eigenkapital von rund 1,2 Milliarden Euro. Seit dem letzten Konzernabschluss im September 2008 hat sich der Bestand laut PWC-Gutachten auf 177 Millionen Euro drastisch reduziert. Nahezu sämtliche Unternehmensteile sind für die laufenden Betriebsmittelkredite über insgesamt 960 Millionen Euro verpfändet – darunter auch alle Thomas-Cook-Aktien. Arcandor hält 52,8 Prozent an dem Touristikunternehmen. Arcandor droht damit nicht nur die Zahlungsunfähigkeit, sondern auch die Überschuldung.

Der Grund für die hohen Geldabflüsse ist das schleppende Geschäft. Wie dem PWC-Papier zu entnehmen ist, rutschte der Betriebsgewinn im ersten Geschäftshalbjahr auf minus 360 Millionen Euro. Unter dem Strich häuften die Essener zwischen Oktober und März einen Verlust von 603 Millionen Euro an. Zudem verlor die Versandtochter Quelle 3,2 Prozent Umsatz, Karstadts Erlöse sanken um 2,1 Prozent unter den Vorjahreswert. Ein Arcandor-Sprecher wollte zu den Zahlen keine Stellung nehmen.

Das Gutachten beziffert auch die Zahl der bedrohten Arbeitsplätze anders als der Konzern. Die Berater von PWC rechnen vor, dass im Fall einer Insolvenz des Konzerns 35 348 Stellen auf dem Spiel stehen. Konzernchef Eick hatte bei seiner in Berlin vorgetragenen Bitte um Staatshilfe dagegen immer von 50 000 Arbeitsplätzen gesprochen.

Während Arcandor-Chef Eick in Berlin um Staatshilfe kämpft, versucht Eckhard Cordes, Chef des Konkurrenten Metro, die Politik von seiner privatwirtschaftlichen Lösung zu überzeugen. Bei einem Gespräch mit SPD-Kanzlerkandidat Frank- Walter Steinmeier versicherte Cordes, dass im Fall einer Fusion der überwiegende Teil der Arbeitsplätze bei der Arcandor-Tochter Karstadt gerettet werden könnte. Das Konzept sieht etwa so aus: Karstadt und Kaufhof verfügen zusammen über 204 Standorte. Rund 20 besonders unrentable Häuser stünden schon jetzt vor dem Aus. Hinzu kämen rund 30 Standorte, bei denen die beiden Marken doppelt vertreten sind. Allerdings könnten zwölf Häuser von Metro-Media-Markt übernommen werden.Der Arbeitsplatzabbau liege dann bei unter 5000 Stellen, hieß es in Berlin. HB/dpa

Christoph Schlautmann

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