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Wirtschaft: Armer Tropf

Die Kosten explodieren und die Kommunen können die teuren Kliniken kaum noch finanzieren. Privatinvestoren sollen helfen

Er ist der Gebieter über ein riesiges Reich. 15000 Mitarbeiter unterstehen seiner Ägide, 3500 Betten gehören zu seiner Welt. Und von seinem Jahresetat von einer Milliarde Euro können andere nur träumen. Dennoch dürfte kaum jemand Detlef Ganten um seinen Job beneiden.

Ganten ist Chef der Berliner Charité, des größten Universitätsklinikums in Europa. Wie viele andere öffentliche Kliniken plagen auch die Charité Finanznöte. 246 Millionen Euro muss Ganten bis 2010 einsparen, weil der Senat Forschungsmittel kürzt und die Krankenkassen weniger Geld zahlen. Weil die Verhandlungen mit den Ärzten über mehr Gehalt gescheitert sind, gab es Warnstreiks. Doch Ganten hat keine Wahl: Wenn er es nicht schafft, den Personaletat deutlich zu drücken, kann er bald dichtmachen – oder verkaufen.

Den Ländern fehlt Geld, um teure Krankenhäuser angemessen finanzieren zu können. In Berlin beträgt der Investitionsstau nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) drei Milliarden Euro, bundesweit sogar bis zu 50 Milliarden Euro. „Die Investitionen in Krankenhäuser bröckeln seit Jahren“, sagte DKG-Präsident Wolfgang Pföhler. Doch nicht nur fehlende Investitionen, auch das neue Abrechnungssytem der Kassen (siehe unten) macht den Kliniken zu schaffen. Oft reiche die von den Kassen gezahlte Behandlungspauschale zur Kostendeckung nicht aus, sagt Pföhler. Darum werde der Druck auf Länder und Kommunen, ihre Kliniken an einen privaten Investor zu verkaufen, wachsen.

Das bringt die Krankenhauslandschaft mächtig in Bewegung: Jede vierte der rund 2200 stationären Einrichtungen werde bis 2020 schließen, schätzt die Beratungsgesellschaft Ernst&Young in einer Studie. Private Gesundheitszentren würden dagegen deutlich zunehmen.

Die Privatisierungswelle hat längst begonnen. Bereits 2001 kaufte der Klinikkonzern Helios die drei Berliner Standorte Klinikum Buch, Robert-Rössle-Klinik und Franz-Volhard-Klinik – bislang die größte Übernahme in der Welt der Krankenhäuser. Konkurrent Asklepios zog nach und stieg mit dem (von der Gewerkschaft Verdi strikt abgelehnten) Kauf des Hamburger Landesbetriebes Krankenhäuser in diesem Frühjahr zum größten Klinikbetreiber Europas auf. Auch in den meisten anderen Bundesländern ist vieles im Umbruch: Niedersachen hat soeben den Verkauf der zehn psychiatrischen Landeskrankenhäuser beschlossen. In Hessen sind gerade die Universitätskliniken Marburg und Gießen im Angebot. Allein in Gießen, sagte ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums, gebe es einen Investitionsstau von 200 Millionen Euro. Der für 2006 geplante Verkauf wird die erste vollständige Privatisierung von Unikliniken sein.

An den chronisch unterfinanzierten Berliner Kliniken dürfte der Prozess scharf beobachtet werden. „Ich gehe davon aus, dass über kurz oder lang die Charité und Vivantes den nachhaltig erfolgreichen Beispielen anderer Bundesländer folgen werden“, sagt Asklepios-Hauptgeschäftsführer Elmar Willenbrand.

Das Vertrauen in die Kraft privater Betreiber wie Asklepios, Helios oder Rhön-Kliniken ist groß. „Private Betreiber arbeiten in der Regel wirtschaftlicher als öffentliche Krankenhäuser“, sagt Rudolf Boehlke von Ernst &Young. Ein wesentlicher Grund sei, dass die Konzerne bei der Vergütung ihrer Mitarbeiter nicht an Tarife gebunden seien. Außerdem können sie schneller reagieren als eine Kommune, im Konzern günstiger einkaufen, bekommen leichter Geld von den Banken und haben dadurch eine größere Investitionskraft und garantieren zudem noch eine gute Behandlungsqualität. Von ihren Methoden, glaubt DKG-Chef Pföhler, können öffentliche Häuser viel lernen. „Man kann ein Krankenhaus nur wie ein Unternehmen führen – alle anderen Wege sind nicht erfolgversprechend.“

Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe hat allerdings Angst, dass vor lauter Ökonomie der Mensch zu kurz kommt. „Ich habe die Sorge, dass Patienten mit langwierigen Krankheiten, mit denen private Betreiber keinen Gewinn machen können, bald Schwierigkeiten haben werden, ein Krankenhausbett zu finden.“ Und dennoch: „Ohne private Investoren kommen wir nicht aus“, sagt Hoppe.

Maren Peters

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