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Wirtschaft: Arzneimittelausgaben steigen – trotz Reform

Krankenkassen erwarten auch im Gesamtjahr keinen Rückgang/Ärzte warnen vor Beitragssatzsenkung

Berlin (pet). Die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen sind im ersten Quartal nach Inkrafttreten der Gesundheitsreform bei weitem nicht so stark gesunken, wie von der Politik erhofft. In einzelnen Kassenbezirken seien im März Zuwächse um bis zu sechs Prozent registriert worden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Dienstag. Die Kassen geben den Ärzten die Schuld an dieser Entwicklung. Sie verschrieben immer teurere Medikamente. Das Bundesgesundheitsministerium warf den Kassen vor, die „eingetretenen Ausgabensenkungen klein zu rechnen“. Unterdessen kritisierte der VizeChef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Leonhard Hansen, Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) habe bei der Gesundheitsreform von vornherein unrealistische Einsparziele verfolgt.

Nach der enttäuschenden Entwicklung bei den Arzneimittelausgaben im März wird es für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) schwerer, die Krankenkassenbeiträge, wie geplant, noch in diesem Jahr von durchschnittlich 14,3 auf 13,7 Prozent zu senken. Zu den erhofften Einsparungen bei den Gesundheitskosten sollten die Medikamentenausgaben eine Milliarde Euro – und damit etwas ein Drittel – beitragen. Um die Arzneimittelausgaben zu senken, hatte die Koalition die Selbstbeteiligung der Patienten seit Jahresbeginn erhöht, viele rezeptfreie Medikamente aus der Erstattungspflicht der Kassen herausgenommen und den Herstellern höhere Rabatte verordnet.

„Ungeachtet der massiven Eingriffe der Gesundheitsreform liegen die Arzneimittelausgaben im ersten Quartal 2004 in einem rasanten Aufwärtstrend“, heißt es in der Erklärung der Krankenkassen. Danach sind die Ausgaben für Medikamente im Januar um 30 Prozent und im Februar um 18 Prozent zurückgegangen. Als Grund geben die Kassen Vorzieheffekte im Dezember 2003 an, wo es im Vorfeld der Gesundheitsreform einen „Ansturm auf die Arztpraxen“ gegeben habe. Schon im März hätten die Arzneiausgaben aber nur noch 1,6 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen. Bei einigen Kassenärztlichen Vereinigungen seien sogar Zuwächse um bis zu sechs Prozent zu verzeichnen.

Das Bundesgesundheitsministerium verteidigte in einer Stellungnahme die Gesundheitsreform – und verwies dabei auf die Zahlen für das Gesamtquartal. Danach seien die Arzneimittelausgaben im ersten Quartal nach vorläufigen Angaben um über 900 Millionen Euro gesunken. Auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) geht nach wie vor davon aus, dass die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr um 15 Prozent zurückgehen werden.

Die Spitzenverbände der Kassen nannten dies „völlig unrealistisch“. Sie befürchten, dass der Anstieg der Arzneimittelkosten im März ein Trend für das Gesamtjahr sein könnte. So rechnet der Chef des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK), Wolfgang Schmeinck, damit, dass die Ausgaben für Medikamente im laufenden Jahr nicht sinken werden, wie er der „Badischen Zeitung“ sagte. Im vergangenen Jahr gaben die Kassen insgesamt 24,2 Milliarden Euro für Medikamente aus. DAK-Vorstandsmitglied Herbert Rebscher warnte dagegen wie AOK-Sprecher Udo Barske vor vorschnellen Schlüssen. „Entscheidend wird sein, ob die Ausgaben im April und Mai weiter ansteigen“, sagte Rebscher.

KBV-Vize Hansen geht schon jetzt davon aus, dass das Einsparziel der Bundesregierung gescheitert ist. Er warf der Koalition vor, immer neue Ausnahmen zum Gesundheitsreformgesetz zu schaffen. Die Sparziele seien damit immer schwerer zu erreichen. Hansen warnte davor, trotz fehlender Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben die Kassenbeiträge zu senken. „Es kann nicht sein, dass die Kassen auf Biegen und Brechen gezwungen werden, die Beiträge zu senken, wenn sie gleichzeitig hohe Schulden abtragen müssen.“ Das ginge zu Lasten der Versorgung. Vor allem viele Betriebskrankenkassen sind hoch verschuldet.

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