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Wirtschaft: Atmosphärische Störungen

Die IHK der Hauptstadt grenzt sich von den Brandenburgern ab – die finden das nicht fair

Berlin – Die Erkenntnis der Berliner IHK-Führung ist nicht sonderlich originell und hat dennoch erheblichen Flurschaden angerichtet. „Berlin ist schließlich nicht Finsterwalde.“ Kammerpräsident Eric Schweitzer und sein Hauptgeschäftsführer Jan Eder wollten mit dem Spruch den brandenburgischen Nachbarn klarmachen, dass Berlin etwas Besonderes ist und entsprechend zu behandeln sei. Und wenn das die Brandenburger nicht kapieren, dann helfe eben nur eine „Beziehungspause“, mehr Eigennutz auf Berliner Seite und die Bereitschaft zur Konfrontation, wenn es zum Beispiel um das Ansiedeln von Investoren gehe.

Mit ihrem Papier „Zum zukünftigen Verhältnis der Länder Berlin und Brandenburg“ hat die IHK in der vergangenen Woche viel märkischen Sand aufgewirbelt, Zorn und zumindest Verständnislosigkeit in der Potsdamer Politik und Wirtschaft ausgelöst. Doch nicht nur dort, auch in der Berliner Wirtschaft gibt es reichlich Unverständnis über das Vorgehen von Eder und Schweitzer. „Keine Ahnung, was die geritten hat“, ist derzeit häufiger zu hören.

„Unsere Motivation war, das Thema zu befördern“, sagt IHK-Geschäftsführer Eder und meint die Länderfusion, die jetzt in weite Ferne gerückt ist. Andere meinen, das miserable Verhältnis der Berliner Kammerspitze zu den Kollegen der Potsdamer IHK habe eine Rolle gespielt bei der überraschenden Wende der Berliner, die lange für eine Fusion der Wirtschaftsfördergesellschaften plädiert hatten und sich nun „um 180 Grad drehen“, wie ein Kritiker sagt. „Nichts war überflüssiger als das“, heißt es auch aus Kreisen der Kammer, die nicht genannt werden wollen. Man ist sauer auf die IHK-Chefs, möchte aber mit der Kritik in der Deckung der Anonymität bleiben.

Schweitzer und Eder, die seit drei Jahren die IHK führen und für ihre frische Art viel Lob bekamen, hinterlassen nun einen nassforschen Eindruck. Persönliche Kontakte sind wichtig, doch die beiden hätten sich inzwischen mit dem Verein der Berliner Kaufleute VBKI, mit der Tourismusgesellschaft BTM und der Potsdamer IHK angelegt. Es sei „taktisch schwach“, was Schweitzer/Eder derzeit böten, und „belastet das Verhältnis zu Brandenburg ungemein“. Das bestätigt die Reaktion aus Potsdam. „Man sollte sich korrigieren, ehe man sich in einer Sackgasse verirrt“, sagt Victor Stimming, der Präsident der Potsdamer IHK. Dies liege im Interesse des gemeinsamen Wirtschaftstandortes Berlin-Brandenburg, meint der Potsdamer.

Stimming und sein Berliner Kollege Schweitzer können überhaupt nicht miteinander. Ein Grund soll sein, dass Schweitzer einst ohne Absprache mit den Kollegen in Brandenburg eine Fusion der dortigen drei Kammern vorgeschlagen und damit natürlich so manchen märkischen IHK-Mann vor den Kopf stieß. Nun sitzt der Unmut über das Papier der Berliner IHK tief. Nicht nur der Sache wegen, sondern auch wegen des Stils und des Zeitpunkts: Die Brandenburger IHK’s hatten kürzlich in ungekannter Deutlichkeit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) öffentlich wegen seiner Fusionsabsage kritisiert und aufgefordert, einen neuen Fahrplan zu entwickeln. Sie sehen dies nun durch das Berliner IHK-Strategiepapier unterlaufen, von dem sie völlig überrascht wurden: Es habe „keine Vorwarnung oder gar Vorabstimmung“ gegeben, nicht einmal auf der Arbeitsebene, die normalerweise eng und gut kooperiert, heißt es. „Dabei muss man monatelang an der Studie gearbeitet haben.“

Kein Wunder, dass jetzt manches in einer Deutlichkeit ausgesprochen wird, wie man es im Verhältnis zwischen Berliner und Brandenburger Kammern nicht kannte. So hört man jenseits der Glienicker Brücke oft eine Erklärung, warum die Berliner IHK so vehement in die Offensive geht. Stimming: „Es scheint ein Versuch zu sein, in die politische Situation in Berlin einzugreifen, die CDU zu unterstützen.“ Will heißen, die IHK gegen den rot-roten Senat in Stellung zu bringen. So sieht es auch Klaus Windeck, der von 1990 bis Anfang 2007 Präsident der Potsdamer Handwerkskammer war. „Eigentlich steht es Kammern nicht zu, Politik gegeneinander auszuspielen.“ Was die Berliner IHK getan habe, sei „unfair“ und unterlaufe Bemühungen für eine Fusion beider Länder. „Für Platzeck war das doch ein Elfmeter“, murrt ein Berliner Unternehmer über das Vorgehen der IHK. Der fusionsskeptische Ministerpräsident habe den Ball mit Genuss verwandelt und mit Hinweis auf die Berliner Arroganz die Fusionschancen wieder mal reduziert.

„Wo es um knallharte wirtschaftliche Interessen geht, gibt es eine klare Trennlinie“, sagt Klaus Windeck. „Manches ist in Berlin eben anders als in Brandenburg.“ Andererseits würden selbst sinnvolle Projekte an fehlender Bereitschaft scheitern, aufeinander zu zugehen: Windeck nennt die „wegen Befindlichkeiten“ geplatzte Fusion der Brandenburger Bürgschaftsbank mit der in Berlin ansässigen „Bürgschaftsbank Berlin und Brandenburg“.

Ein Kritiker von Schweitzer/Eder beklagt deren Versuch, Politik zu machen, und sich nicht genügend um die Belange der IHK-Mitglieder zu kümmern. Mit dem Aufschwung stiegen derzeit auch die Beiträge und der IHK gehe es besser. Jetzt wäre es möglich, „mehr für die Firmen und den Service zu tun“, stattdessen breche man den Streit mit Brandenburg vom Zaun. „Die Gemeinsamkeit geht uns verloren“, meint der Kammerkritiker. Und damit die Chance auf eine Länderfusion.

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