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Runde Sache. Aussteller aus 65 Ländern zeigen in Hannover ihre Produkte – Enercon ist mit dieser Windturbine dabei.

© AFP

Atom-Moratorium: Deutschland muss Strom importieren

Durch das Atom-Moratorium sinkt das Stromangebot in Deutschland – jetzt kommt Kernenergie aus Frankreich und Tschechien.

Hannover/Berlin - Seit der Abschaltung von sieben Reaktoren im Zuge des Atom-Moratoriums der Regierung ist Deutschland auf Strom-Importe angewiesen. Zudem seien die Preise im Stromhandel seit dem Beschluss deutlich gestiegen, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am Montag auf der Hannover-Messe erklärte. Die Wachstumsaussichten der Industrie trübt dies bislang nicht – mehrere Branchen zeigten sich überzeugt, dass der Aufschwung weiter gehen werde.

„Seit dem 17. März gibt es einen Einfuhrüberschuss. Die Stromflüsse aus Frankreich und Tschechien haben sich verdoppelt, die Stromflüsse in die Niederlande und in die Schweiz haben sich etwa halbiert“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller. Frankreich erzeugt 80 Prozent seines Stroms durch Atomkraftwerke, Tschechien 25 Prozent, der Rest kommt aus Kohlemeilern. Je nachdem, wie sich der Strompreis entwickelt, sei mittelfristig eine stärkere Nutzung konventioneller Kraftwerke im Inland möglich. Bislang gelten diese zumeist alten Anlagen als wenig profitabel.

Seit der Abschaltung der ältesten Meiler, des Kraftwerks Krümmel sowie des Kraftwerks Grafenrheinfeld zur Revision fehlen mehr als 7000 Megawatt. „Der Ausfall dieser Strommengen hat an den Großhandelsmärkten zu steigenden Preisen bei allen gehandelten Produkten geführt“, berichtete Müller. Der Aufschlag liege bei bis zu zwölf Prozent.

Angesichts des Aufschwungs und des kalten Winters hat der Energieverbrauch deutlich zugenommen. Der Strom- und Gasabsatz ist nach Berechnungen des BDEW um vier Prozent gestiegen, vor allem wegen des Bedarfs der Industrie.

Die Stromwirtschaft investiert bis 2019 Müller zufolge in 51 neue Kraftwerke mit mehr als 20 Megawatt Leistung. Davon seien 14 Großprojekte im Bereich erneuerbarer Energie. Die Diskussion dürfe nicht nur auf Atom- oder Ökostrom verengt werden, mahnte sie. „Es muss auch über konventionelle Kraftwerke gesprochen werden.“ Die Versorger bräuchten für neue Kraftwerke Investitionssicherheit, sie kalkulierten über Zeiträume von 30 bis 50 Jahren.

Die deutsche Industrie plädiert für eine ergebnisoffene, gründliche Diskussion während des Moratoriums. „Jetzt gewünschte Ergebnisse vorwegzunehmen und den Menschen zu sagen, wir könnten sofort in einem Schritt in alternative Energien gehen – das geht nicht“, sagte Hans-Peter Keitel, Präsident des Industrieverbands BDI. Der rasche Ausbau erneuerbarer Energien sei „nicht für lau und nicht innerhalb ganz kurzer Zeit“ zu bekommen. Zudem müsse es mehr Akzeptanz für Großprojekte geben.

Trotz der teureren Energie und der Folgen der Katastrophen in Japan ist der BDI für die deutsche Konjunktur optimistisch. „Das globale Umfeld ist günstig“, sagte Keitel. In diesem Jahr könnte die Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozent zunehmen, im vergangenen waren es 3,6 Prozent. Gleichwohl warnte er vor Euphorie. „Japan zeigt, wie fragil das gesamte System ist. Wir sind noch nicht in einer Situation, in der wir aus dem Vollen schöpfen.“ Die Hannover-Messe gilt auch als Stimmungsbarometer für die Industrie, die zum großen Teil für den Aufschwung verantwortlich ist.

Die wichtigsten Industriebranchen im Land, der Maschinenbau, die Stahlkocher und die Elektroindustrie, hoben ihre Prognosen für 2011 an. Zwar könne man nicht ausschließen, dass die Ereignisse in Japan „Schleifspuren“ hinterließen, sagte Thomas Lindner, Präsident des Branchenverbandes VDMA. Angesichts des starken Jahresauftakts werde die Produktion aber nicht um 10, sondern um 14 Prozent zunehmen. Auch die Elektroindustrie rechnet mit besseren Geschäften, sie erhöhte ihre Prognose zum Produktionsplus von 7 auf 10 Prozent. Die Stahlkocher profitieren vor allem vom Auftragsboom in der Autoindustrie. Das Rekordniveau von 2006/2007 erreiche man aber noch nicht wieder – statt 48 Millionen Tonnen Rohstahl komme man aber nun wieder auf 45,5 Millionen Tonnen, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.mit rtr

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