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Ein teures Ende könnte der Atomausstieg für die Steuerzahler nehmen, wenn die Regierung Schadenersatz zahlen muss.

© dpa

Atomausstieg: Schließt sich Vattenfall Verfassungsklage von RWE und Eon an?

Nach dem Atomausstieg berät auch Vattenfall über mögliche finanzielle Forderungen an den deutschen Staat. Juristen halten den Zug der Energiekonzerne vor das Verfassungsgericht für erfolgversprechend.

Nun also auch Vattenfall. An diesem Donnerstag befasst sich der Aufsichtsrat der in Berlin ansässigen Vattenfall Europe AG mit möglichen juristischen Folgen des Atomausstiegs. Und in Konzernkreisen ist man sich ziemlich sicher, dass sich Vattenfall der Verfassungsklage von RWE und Eon anschließen wird. Die beiden größten deutschen Energieversorger und Kernkraftbetreiber klagen, wie berichtet, gegen die Bundesregierung. Dabei geht es um Milliarden. Schätzungen zufolge beziffert allein Marktführer Eon seinen Schaden auf gut acht Milliarden Euro. Insgesamt ist für alle vier Akw-Betreiber hierzulande – neben Eon, RWE und Vattenfall gehört die Stuttgarter EnBW dazu – von 15 Milliarden Euro die Rede. Wie viel davon jeweils die einzelnen Konzerne beanspruchen, ist nicht bekannt. Bei RWE hieß es dazu auf Anfrage: „Kein Kommentar“.

Der Essener Konzern hatte nach der Katastrophe von Fukushima und der folgenden Energiewende von Kanzlerin Angela Merkel die forscheste Gangart eingelegt und bereits im Februar Verfassungsklage eingereicht. RWE und Eon argumentieren, dass die im Jahr 2002 zugesagten Reststrommengen für ihre Akw nicht realisiert werden konnten. Damals hatte sich die rot-grüne Regierung mit den Konzernen auf ein Ausstiegsdatum und entsprechende Stromvolumina für die Akw verständigt. Nach Fukushima korrigierte die schwarz-gelbe Regierung jenen rot-grünen Atomkonsens.

Bereits vor gut einem Jahr hatte der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann die Bundeskanzlerin vor möglichen juristischen Folgen gewarnt. In einem Brief an Merkel schrieb Großmann, dass nach RWE-Schätzungen rund 60 Terrawattstunden Atomstrom wegen der Energiewende nicht mehr produziert werden könnten. Die Verstromungsmengen aber „sind nach dem Atomkonsens 2002 eine vom Eigentumsrecht des Grundgesetzes geschützte Position“, argumentiert der RWE-Chef.

Fotostrecke - Die Antiatombewegung:

Für den Berliner Juristen Claus-Peter Martens hat die Bundesregierung in den Bestandsschutz der Konzerne eingegriffen und deshalb gegen das in Artikel 14 des Grundgesetzes festgeschriebene Eigentumsrecht verstoßen. Ein solcher Eingriff, die verordnete Stilllegung von acht Akw im vergangenen Jahr, sei aber nur möglich, wenn „objektive wissenschaftliche Erkenntnisse“ zu einer neue Beurteilung des Gefahrenpotenzials von Akw geführt hätten, sagte Martens auf Anfrage. Das sei aber nach Fukushima nicht der Fall gewesen, weil eine ähnliche Flutwelle, wie sie das japanische Kernkraftwerk beschädigt hatte, in Deutschland nicht zu befürchten sei. Die Regierung habe deshalb den Bestandsschutz der Konzerne außer Kraft gesetzt, eine Klage in Karlsruhe sei erfolgversprechend.

Nach einem Bericht der „FAZ“ will der erste Senat des Karlsruher Gerichts in diesen Tagen die Beschwerde von Eon an die Bundesregierung, den Bundestag und 63 weitere Institutionen verschicken und um eine Stellungnahme bitten. Die Beschwerde von RWE soll dann in den kommenden Wochen dem gleichen Adressatenkreis zugehen. Die große Zahl der Beteiligten deutet auf die Ernsthaftigkeit der Verfassungsbedenken hin. Mit einem Urteil in Karlsruhe wird indes nicht vor Ende des kommenden Jahres gerechnet.

Vermutlich noch länger könnte sich ein Verfahren hinziehen, das Vattenfall in dieser Angelegenheit vor dem Schiedsgericht der Weltbank in Washington angestrengt hat. Dort gibt es die Möglichkeit, Streit zwischen privaten Investoren und staatlichen Stellen schlichten zu lassen. Bislang ist in Washington noch nicht viel passiert, man befinde sich in der Phase der „Konstituierung“, über eine Klage sei noch nicht entschieden.

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