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Atomstreit: Ökonomen kritisieren Energiekonzept der Koalition

Arbeitgebernahe Wirtschaftsexperten halten die geplante Verlängerung der Atomlaufzeiten für unzureichend. IW-Chef Hüther hält einen vorzeitigen Ausstieg für "Vernichtung von Volksvermögen".

Berlin - Die deutsche Industrie zweifelt an wichtigen Punkten des Energiekonzepts, das die Bundesregierung vergangene Woche vorgelegt hat. „Hätte die Koalition niedrigere Strompreise gewollt, hätte sie keine so hohe Brennelementesteuer durchsetzen dürfen“, sagte Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), am Montag in Berlin. Zudem geht ihm die Verlängerung der Atomlaufzeiten nicht weit genug – ein Ausstieg aus der Technik bedeute „eine Vernichtung von Volksvermögen“.

In ihrem Energiekonzept hatte die schwarz-gelbe Regierung angekündigt, die Laufzeit der 17 deutschen Kernkraftwerke um im Schnitt zwölf Jahre zu verlängern und die erneuerbaren Energien in den kommenden Jahrzehnten deutlich auszubauen. Zugleich will die Regierung die CO2-Abscheidung bei der Kohleverstromung fördern. Davon distanzierte sich Hüther. Es gebe „berechtigte Zweifel“, ob sich diese Technik angesichts ihrer hohen Kosten hierzulande rechne. Dagegen gebe die Regierung zu wenig für die Energieforschung aus. „Die Ausgaben bewegen sich auf dem Niveau der frühen siebziger Jahre – trotz ungleich größerer Herausforderungen.“

Auch das Vorhaben, die Heizungen in den deutschen Wohnungen bis 2050 emissionsfrei zu machen, sieht das IW skeptisch. Da viele Hausbesitzer zu Sanierungen gezwungen würden, sei dies „ein Eingriff in die Eigentumsrechte“ und das Einsparziel „sehr ambitioniert“. Auch Bauminister Peter Ramsauer (CSU) leistet hier Widerstand. Durch Heizungen entsteht ein Drittel des deutschen CO2-Ausstoßes.

Scharfe Kritik am Energiekonzept übte auch der Wirtschaftsprofessor Justus Haucap, Vorsitzender der Monopolkommission. Sie berät die Regierung in Wettbewerbsfragen. Die Konkurrenz auf dem Strommarkt werde durch die Laufzeitverlängerung nicht intensiver, sagte er dieser Zeitung. „Die Marktmacht der vier großen Erzeuger wird gefestigt, die bekommen viel Geld in die Kasse, mit der sie ihre Position weiter ausbauen können“, urteilte er. Im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung hätte man die Betreiber verpflichten können, Kraftwerkskapazitäten abzugeben oder das grenzüberschreitende Stromnetz auszubauen. „Beides hätte den Wettbewerb gestärkt.“

Haucap, Forscher an der Universität Düsseldorf, plädiert zudem für ein anderes Verfahren in der Atomfrage. „Es wäre ordnungspolitisch sauberer gewesen, wenn die Politik eine Reststrommenge festgelegt und diese dann meistbietend versteigert hätte“, sagte er. „Das hätte den Charme gehabt, dass man die Gewinne besser hätte abschöpfen können und für die Bürger mehr Geld herausgekommen wäre.“ Die Stromkonzerne hätten dann zeigen müssen, wie viel ihnen die Atomkraft wert ist. Das nun gewählte Vorgehen sei „ordnungspolitisch sehr fragwürdig mit intransparenten Deals in Hinterzimmern“. Niemand wisse, ob die Regierung tatsächlich das Maximale für die Verbraucher herausgeholt hat.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) verteidigte dagegen das Konzept. Ohne Kernenergie sei eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung vorerst nicht möglich. Mit dem Geld aus der Laufzeitverlängerung werde der Umbau hin zu einer Versorgung mit Öko-Energien gewährleistet, sagte er auf einer Branchenkonferenz in Berlin. „Das ist kein Sonntagsspaziergang, sondern eine lange Kletterpartie.“ Die Bundesregierung werde dafür drei Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Damit sollten Energiespeicher und leistungsfähigere Stromnetze gebaut werden. Brüderle verlangte dazu „eine technologische Revolution“. Carsten Brönstrup

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