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Atomwirtschaft: Steckt die Lösung im Aschenbecher?

Der Europäischer Druckwasserreaktor, in Fachkreisen auch "Aschenbecher", ist Hoffnungsträger für die Atomwirtschaft. Im Fall einer Kernschmelze soll eine Keramikwanne die nukleare Suppe auffangen. So die Idee - doch in der Praxis gibt es viele Probleme.

Nach der Tschernobyl-Katastrophe vor 23 Jahren war es für die Industrie schwer geworden, in Europa neue Kernkraftwerke zu errichten. Zu groß waren die Widerstände in der Bevölkerung. Ende der 90er Jahre begannen der Münchener Technologiekonzern Siemens und das französische Unternehmen Framatome mit Planungen für einen ganz neuen Reaktortyp, der wirtschaftlich und zugleich sicher sein sollte. Heraus kam der EPR. Das steht für „European Pressurized Water Reactor“, also Europäischer Druckwasserreaktor. In Fachkreisen wird er auch der „Aschenbecher“ genannt: Im Fall einer Kernschmelze nämlich soll eine Keramikwanne die nukleare Suppe auffangen, der Austritt von Strahlung stark begrenzt werden, so die Idee.

Vor allem Frankreich, Großbritannien und Finnland zeigten bisher großes Interesse an dem Reaktortyp der sogenannten „Generation 3 plus“. Im Sommer 2005 begann auf der Halbinsel Olkiluoto an der finnischen Westküste der Bau des ersten EPR. Der französische Atomkonzern Areava, an dem auch Siemens beteiligt war, aber mittlerweile ausgestiegen ist, treibt das Vorhaben voran. Ursprünglich hätte das Akw Olkiluoto 3 schon seit diesem Sommer Strom einspeisen sollen. Doch der Bau verzögert sich immer weiter: Erst gab es Probleme bei den Fundamenten, dann gerieten Areva und der Betreiber TVO in Streit über die Baukosten, die jetzt mit über fünf Milliarden Euro doppelt so hoch ausfallen sollen, wie gedacht. Vor 2013, so die jüngste Ansage, wird Olkiluoto 3 keinen Strom liefern. Auch der Ende 2007 begonnene Bau des EPR Flamanville 3 am Ärmelkanal nahe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague dürfte sich verzögern.

Der EPR gilt von der Konstruktion her als deutlich sicherer als die Druck- oder Siedewasserreaktoren klassischer Bauart. Zudem soll der EPR eine rekordverdächtige Leistung von 1600 Megawatt liefern. „Sicherer“ gilt in der EU aber heute nicht mehr als sicher genug. Vor zwei Wochen gaben die Atomaufsichtsbehörden von Frankreich, Großbritannien und Finnland eine gemeinsame Erklärung heraus, in der sie massive Sicherheitsmängel am aktuellen EPR-Design kritisierten. Der Hauptvorwurf: Die Steuerung für den Notbetrieb funktioniere nicht komplett unabhängig von der Steuerung im Normalbetrieb. Das ist vor allem ein IT-Problem, da der EPR so konstruiert ist, dass er ausschließlich von Software gesteuert wird und nicht mehr von Transistoren und sonstigen Schaltungen.

Die Briten haben zwar jetzt zehn neue Akw-Standorte ausgewiesen, setzen also wieder verstärkt auf Kernkraft. Bevor Arewa das Problem nicht behoben hat, dürfte sich auf der Insel aber nichts bewegen.

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