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Die Bank als Baustelle. Bis 2014 lässt sich die Europäische Zentralbank ein neues Hauptquartier in Frankfurt am Main bauen – bislang arbeitet sie an drei Standorten.

© dpa

Wulffs Kritik an der EZB: Attacke auf die Retter

Die Kritik von Bundespräsident Christian Wulff an der Europäischen Zentralbank (EZB) ist ein einmaliger Vorgang.

Berlin - Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) geht es drunter und drüber. Kräne drehen sich, Maschinen lärmen, Bauarbeiter reißen alte Wände ein und errichten neue. Noch auf Jahre werden Staub und Krach das Bild in Frankfurt bestimmen. Erst 2014 können sich die mehr als 1400 Mitarbeiter an einer feinen Aussicht auf den Main aus der neuen Zentrale, einem Hochhaus und einer renovierten Markthalle, erfreuen. Dann wird endlich alles wieder gut.

Ob das auch für das Kernprodukt des Hauses, den Euro, gilt, ist heute ungewisser denn je. Die EZB versucht sich als Retter in der Schuldennot – indem sie klammen Staaten Anleihen abkauft, deren Defizite also mit der Notenpresse finanziert. Ein äußerst umstrittenes Vorgehen, das nun sogar den Bundespräsidenten auf den Plan gerufen hat. Die Währungshüter gingen „weit über ihr Mandat hinaus“, sagte Christian Wulff am Mittwoch in Lindau auf einer Tagung mit Wirtschaftsforschern. „Das kann auf Dauer nicht gut gehen und kann allenfalls übergangsweise toleriert werden.“ Sogar für „rechtlich bedenklich“ hält er die Aktion – weil der EU-Vertrag den Kauf von Schuldtiteln verbiete, um die Unabhängigkeit der Notenbank zu sichern. „Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen.“

Es ist einmalig, dass ein Bundespräsident die Währungshüter derart rüde zurechtweist. Wulff stellt sich damit an die Seite derer, die um die Tradition der unabhängigen Notenbank fürchten, die sich allein um die Bekämpfung der Inflation und die Versorgung der Wirtschaft mit Bargeld kümmert – und sonst nichts. Mit dieser Haltung hat es die Bundesbank zu einer der angesehensten Institutionen der Welt gebracht. „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank“, formulierte 1992 Jacques Delors.

Heute ist die Bundesbank in der EZB aufgegangen, die zwar nach ihrem Muster gebaut ist. Doch die ehernen Prinzipien zählen nicht mehr viel. Im April 2010 begann die Bank auf Druck der Regierungschefs, Staatsanleihen zu kaufen. Heute hat sie griechische, irische, portugiesische, italienische und spanische Papiere für zusammen 110 Milliarden Euro in den Büchern. Ein Ende ihres Aufkaufprogramms ist nicht in Sicht.

Damit droht die EZB zu einer Umverteilungsmaschine zu werden, an deren Hebeln Politiker sitzen. Ihre Unabhängigkeit ist dahin – auch wenn sich Präsident Jean-Claude Trichet müht, die Anleihekäufe als notwendige geldpolitische Maßnahmen zu verkaufen. „Das ist ein Tabubruch ersten Ranges“, findet Uwe Angenendt, Chefökonom der BHF- Bank. Sollte eines der klammen Länder pleite gehen, käme die EZB in eine Schieflage – weil die Staatspapiere plötzlich wertlos wären. Die Bank müsste sich bei den Euro-Staaten frisches Geld beschaffen. „Welche Macht hätte eine solche Zentralbank noch?“, fragt Angenendt. Sie müsste sich gegenüber der Politik womöglich erkenntlich zeigen. „Das wäre der Gau.“ Da ist es nur ein geringer Trost, dass höhere Inflationsraten als Folge der Anleihe-Käufe nur ein theoretisches Problem sind – der Abschwung senkt den Druck auf die Preise.

Dennoch ist das Vorgehen höchst undemokratisch. Die EZB nimmt den Parlamenten die unangenehme Aufgabe ab, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen, indem sie deren Defizite finanziert. Eine Legitimation dafür hat sie nicht.

Axel Weber hat die deutsche Stabilitätstradition tapfer verteidigt. Doch im Februar erkannte er, dass er keine Chance hat – und verzichtete auf die Chefposten bei Bundesbank und EZB. Sein Nachfolger Jens Weidmann leistet weiter Widerstand und stimmt gegen den neuen Kurs. „Die Eindämmung der Krise darf nicht dazu führen, dass wir Schritt für Schritt unsere Prinzipien aushöhlen“, sagte er kürzlich. „Es ist nicht unsere Aufgabe, insolvente Länder zu finanzieren.“ Gegen die Übermacht der Südeuropäer im geldpolitischen Rat der EZB ist Weidmann aber machtlos. Nicht auszuschließen, dass Wulff nun auf sein Geheiß die Notenbank attackiert hat. Vielleicht hat sich Weidmann an den Tag im April erinnert, an dem Wulff ihn zum Bundesbank-Chef ernannte. „Wir setzen auf Ihre Arbeit, die Stabilität des Geldes zu wahren“, hatte ihn der Präsident damals gemahnt.

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