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Wirtschaft: Auch die Ölmultis wollen Hussein stürzen

Eine pro-amerikanische Regierung im Irak würde den großen Konzernen neue Geschäftsfelder eröffnen

Von Bhushan Bahree

und John Fialka

Während Spitzenpolitiker über einen möglichen Krieg gegen den Irak diskutieren, prüft die Erdölindustrie schon die Folgen eines Angriffs. Wie hoch ist die Gefahr eines kurzfristigen Förderausfalls und explodierender Preise? Wie sieht die langfristige Entwicklung aus? Immerhin verfügt der Mittlere Osten über zwei Drittel der weltweit nachgewiesenen Ölreserven.

Bisher kommen westliche Unternehmen im Mittleren Osten kaum zu Zuge. Nun rechnet sich die Erdölbranche Chancen aus, sollte es zu politischen Umwälzungen kommen. Die französische Total, die italienische Eni und eine Reihe anderer Unternehmen aus Russland, China und Indien haben bereits Verträge für die Erschließung der gewaltigen irakischen Erdölfelder in der Tasche für die Zeit, wenn die UNO ihre Sanktionen einmal aufhebt.

Normalerweise halten sich Erdölkonzerne mit politischen Äußerungen zurück. Doch nun haben sich einige der angesehensten Branchenanalysten für Energie- und Politikfragen an die Öffentlichkeit gewagt. Sie beschreiben mögliche Szenarien nach einem Regimewechsel im Irak. Die kurzfristigen Szenarien drehen sich um die sofortige Verknappung des Erdöls nach dem plötzlichen Ausfall der irakischen Förderung. Die längerfristigen beschäftigen sich mit dem möglichen radikalen Wandel der Energie- und Sicherheitsbeziehungen im Mittleren Osten.

Ein Angriff der USA auf den Irak dürfte zweifellos die Ölpreise in die Höhe treiben. Zumindest solange, bis die Ölmärkte sicher sind, dass die Erdölförderanlagen der Nachbarländer Kuwait und Saudi-Arabien intakt sind. Und dass die beiden Länder und andere Erdölexporteure ihr Wort halten und für den Förderausfall im Irak einspringen.

Es sei derzeit „extrem schwierig", auf den Irak als Erdölexporteur zu verzichten, sagt John Cook vom US-Energieministerium. Die Erdölvorräte seien im Augenblick klein und würden weiter schrumpfen. Zudem stehe der Winter vor der Tür. Allerdings hätten die Opec-Mitgliedsländer heute mehr brachliegende Förderkapazitäten als noch vor zwei Jahren, um ausfallende Mengen auszugleichen.

Alle längerfristigen Szenarien der Erdölanalysten drehen sich darum, wie sich der Irak in der Post-Hussein-Zeit westlichen Ölkonzernen öffnet und die Dominanz von Saudi-Arabien verringert. Zwar wären die USA auch mit einem verbündeten Irak weiter auf Saudi-Arabien angewiesen - aber nicht so stark wie bisher. „Ein anderes Regime im Irak würde das Kräfteverhältnis in der ganzen Region verändern", sagt Daniel Yergin, Erdöl-Historiker und Chairman von der Beratungsgesellschaft Cambridge Energy Research Associates.

Was passierten wird, hängt natürlich stark von den Intentionen der USA ab. Es ist offensichtlich, dass die Regierung Bush den irakischen Regimechef Saddam Hussein im Visier hat. Unklar ist aber, wie sie mit den Auswirkungen eines Irakkrieges auf den Erdölmarkt und die Wirtschaft umgehen will. Das hier sind mögliche Szenarien:

Eine pro-amerikanische Irak-Regierung kommt an die Macht. Sie sorgt für die Stabilität und Einheit des Landes, öffnet den Irak für westliche Unternehmen und steigert die Erdölförderung. Die Irak-Regierung steigert die Erdölfördermenge - zunächst wahrscheinlich auf die frühere Rekordmenge von 3,5 Millionen Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) pro Tag und mittelfristig unter Umständen auf 6 Millionen Barrel pro Tag. Zu gut um wahr zu sein? Wahrscheinlich, weil ein zu schnelles Wachstum zu einem Überangebot an Öl und zu Preiskriegen führen könnte.

Im Irak macht sich politisches Chaos breit, die Regierungschefs folgen einer auf den anderen. Damit würden sich ausländische Investoren fernhalten. Die Erdölfördermenge würde entweder auf dem gleichem Niveau bleiben oder sogar sinken.

Die militärische Intervention der USA destabilisiert das politische Gleichgewicht im gesamten Mittleren Osten und gefährdet die regelmäßige Erdölausfuhr.

Einige Experten glauben sogar, die Bush-Regierung habe mehr vor, als SaddamHussein zu entmachten. „Wenn es ihnen gelingt, werden sich die USA eine militärische und politische Basis im Zentrum des Mittleren Ostens errichten", sagt Robert Mabro, der Direktor des Oxford Institute of Energy Studies. Vom Irak aus könne die USA „mehr Einfluss" auf die Erdöl exportierenden Golfstaaten sowie Syrien und Jordanien ausüben, sagt er. Mabro verweist auf die Militärpräsenz in Afghanistan und anderen zentralasiatischen Ländern.

Selbst wenn das den USA gelänge, würde Saudi-Arabien aber weiter eine einzigartige Rolle auf dem Erdölmarkt spielen. Das Land verfügt über 25 Prozent der weltweiten nachgewiesenen Erdölreserven. Saudi-Arabien erhält mit beträchtlichem Kostenaufwand Kapazitäten für die Förderung von zwei Millionen bis drei Millionen Barrel aufrecht - für den Fall, dass es irgendwo zu Förderausfällen kommt. Damit ist das Land das weltweite Sicherheitsnetz in Sachen Erdöl. Doch eine steigende Erdölförderung im Irak könnte diese Kräfteverteilung etwas verändern. „In 20 Jahren könnten Irak und Iran wichtigere Verbündete als Saudi-Arabien sein“, sagt Patrick Clawson, Vize-Direktor des renommierten Washingtoner Instituts für Nahost-Politik.

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