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Wirtschaft: Auf den Cent kommt es an

Weiß Gerhard Schröder, was ein Pfund Butter kostet? Und kennt Angela Merkel den Preis einer Flasche Geschirrspülmittel?

Weiß Gerhard Schröder, was ein Pfund Butter kostet? Und kennt Angela Merkel den Preis einer Flasche Geschirrspülmittel? Vermutlich nicht. Es gibt wichtigere Zahlen, die man im Kopf haben sollte. So ahnen Politiker oft nicht, welche Effekte ihre Entscheidungen auf höchster politischer Ebene im alltäglichen Leben haben können. Das Vorhaben der Union, nach einem möglichen Wahlsieg die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen, um die Lohnnebenkosten zu senken, mag ein volkswirtschaftlich sinnvoller Ansatz sein.

Wenig Beachtung findet dabei jedoch zum Beispiel folgendes Problem: Was machen die Billigläden, deren Existenz darauf beruht, Artikel zu 99 Cent anzubieten? Sollen die neue Schilder drucken: „Alles für 1,01 Euro“? Aufgerundet wohlgemerkt. Da graust es die Marketingprofis. Der Verbraucher, sagen die Experten, kennt so etwas wie „Schwellenpreise“: Bei 99 Cent greift er gerne zu, weil er denkt, solche Preise müssen einfach knallhart kalkuliert sein. Bei einem Preis von einem Euro ist jedoch die Hemmschwelle, sich für den Erwerb eines neuen Küchenmessers oder eines Dreierpacks Spülschwämme zu entscheiden, oftmals schon zu hoch. Sagen die Experten. Eine noch größere Kaufzurückhaltung wäre die erste Konsequenz, weitere Firmenpleiten die zweite. Beides schmälert die Mehrwertsteuereinnahmen des möglichen künftigen Finanzministers Paul Kirchhof.

Andere Variante: Die 99-Cent-Läden bleiben bei 99 Cent. Auch die „99 Cent Bar“ in Berlin Mitte behält ihren Namen und verkauft ihre Drinks weiter zu dem sensationellen Tiefpreis. Das würde den Kaufanreiz für den Kunden nicht schmälern, reduziert jedoch die – ohnehin oft minimalen – Margen in der 99-Cent-Branche. Also: Spülbürste oder Cocktail kosten weiter 99 Cent. Statt wie bisher 13,65 Cent an den Fiskus zu zahlen, müssen die Verkäufer nun 15,36 Cent Mehrwertsteuer abführen. Die Differenz (1,71 Cent) müssen sie durch Kosteneinsparungen irgendwo anders herholen. Etwa, indem sie den Mitarbeitern den Lohn kürzen. Gelingt es den Unternehmern nicht, auf diese oder andere Weise die Kosten zu senken, könnten wiederum Pleiten drohen. Unterm Strich würde das zwar zunächst höhere Mehrwertsteuereinnahmen für den Finanzminister bedeuten – aber in der Folge auch ein sinkendes Lohnsteueraufkommen.

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der Mehrwertsteuer bei kleinen Preisen

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