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Bulle und Bär. An einem Tag steigen die Kurse, am nächsten fallen sie wieder.

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Update

Auf der Dax-Achterbahn: Die Angst der Anleger vor dem Abgrund

Wie stark bremst die Konjunktur die Börse? Welche Chancen und Risiken Anleger auf der Dax-Achterbahn erwarten.

Diese Börse ist nichts für schwache Nerven. Der Deutsche Aktienindex (Dax) hat Anlegern in den vergangenen drei Monaten ein Wechselbad der Gefühle beschert: Nach dem Rekord von mehr als 10 000 Punkten im Juni fiel der Dax im August zunächst hinunter bis auf 9000 Zähler und kletterte dann ebenso schnell wieder hinauf bis 9800. Ein Mini-Crash ließ den Index in der vergangenen Woche abermals bis auf 8350 Zähler abstürzen – bevor eine kräftige Erholung einsetzte, bei der der Dax in wenigen Tagen wieder 500 Punkte zulegte. Am Donnerstag ging es zunächst erneut bergab. Bereits an der Wall Street hatten die Indizes wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Auch in Asien gab es Verluste. Später sprang der Dax über die 9000-Punkte-Marke. Der sogenannte Einkaufsmanagerindex für die Eurozone fiel im Oktober besser als erwartet aus. Vor allem die Stimmung in der deutschen Industrie hellte sich überraschend stark auf.

Aber nicht nur der Aktienmarkt ist in Aufruhr. Spiegelbildlich zur schwachen Börse schossen die Kurse von sicheren Staatsanleihen, vor allem von Wertpapieren des Bundes und von US-Treasuries, zuletzt in die Höhe. Zudem sorgen neue Turbulenzen um Griechenland für Verwirrung. Braucht das Land erneut Hilfe? Und dann wären da noch Ebola, der Ukraine-Konflikt, Syrien, der IS-Terror … Die Krise ist an den Märkten zurück, die Angst der Anleger ist wieder da.

Abzulesen ist die neue Unsicherheit auch am Verlauf des „Angstindex“ V-Dax. Er misst die kurzfristigen Kursschwankungen am Terminmarkt und ist in den vergangenen Tagen zeitweise auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren gestiege. Wie stehen die Chancen, dass sich die Situation wieder nachhaltig beruhigt? Wie groß sind die Risiken für einen Crash? Sollte man jetzt einsteigen oder noch abwarten?

CHANCEN

Obwohl sich die Erwartungen an die Konjunktur und die Unternehmensgewinne deutlich eingetrübt haben, sprechen einige Rahmenbedingungen weiter für Aktien: niedrige Zinsen (der Leitzins der Euro-Zone liegt bei 0,05 Prozent), ein niedriger Ölpreis, niedrige Inflation. Und ein schwächerer Euro, der der exportorientierten deutschen Industrie hilft.

Wer langfristig Geld anlegen kann und will, findet jenseits des Aktienmarktes kaum noch Renditen, die das eingesetzte Geld vermehren. Einige große Sparkassen zahlen zum Beispiel ihren Kunden fürs Sparbuch nur noch 0,05 Prozent Zinsen – bei einer Inflationsrate von aktuell 0,8 Prozent. Wer 10 000 Euro anlegt, bekommt so im Jahr ganze fünf Euro gutgeschrieben. Selbst bei der Berliner Sparkasse, die 0,4 Prozent bietet, sind es nur 40 Euro. Doch selbst, wenn man nicht auf das Sparbuch setzt, sind Zinsen von mehr als 1,2 Prozent pro Jahr für Tagesgeld und 1,6 Prozent für zwölfmonatige Festgelder kaum drin.

Trotz Mini-Zinsen auf der einen Seite, ist ein Engagement bei Aktien immer mit einem Risiko verbunden. Es mag banal klingen, ist vielen Anlegern aber immer noch nicht bewusst: Je höher die mögliche Rendite ist, desto größer ist das Risiko, das der Anleger akzeptieren muss. Vor diesem Hintergrund ist auch der derzeitige Stimmungswandel an der Börse, der gerade in Deutschland wie so oft sehr deutlich ausfällt, ein Zeitpunkt, der besondere Chancen bietet. „Während die Stimmung der Investoren dreht, bleiben die ökonomischen Fundamentaldaten stabil“, kommentiert etwa Russ Koesterich, Chef-Investmentstratege beim Vermögensverwalter Blackrock, die aktuelle Lage. In vermeintlich guten Zeiten gibt es Übertreibungen nach oben, in schlechten Perioden geht es übertrieben stark nach unten. Und unten bieten sich immer die besten Einstiegsgelegenheiten – und nicht dann, wenn ohnehin alle Aktien haben wollen. So schlimm, wie die Börse zeitweise reagiere, sei die Situation gar nicht, glaubt Gabriel Bartholdi, Aktienstratege der Schweizer Bank Safra Sarasin. „Eine Preiskorrektur von rund zehn Prozent ist an den Aktienmärkten nichts Außergewöhnliches“, sagte Bartholdi. „Eine Korrektur zwischen zehn und 20 Prozent pro Jahr ist wahrscheinlicher als keine.“

Autowerte und Versicherer mit niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis

Ein Blick auf einzelne Aktien – zum Beispiel im Dax – zeigt, wie weit Kurse und Geschäft teilweise auseinandergelaufen sind. So weisen die drei Autowerte BMW, Daimler und VW alle ein einstelliges Kurs-Gewinn-Verhältnis auf (der langjährige Durchschnitt liegt bei etwa 15) sowie Dividendenrenditen zwischen 2,5 und 3,8 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Versicherern Allianz und Münchener Rück, die auf Dividendenrenditen von mehr als vier Prozent kommen.

Doch auch hier gilt: Die zuletzt pessimistische Einschätzung der Börse zeigt, welche Risiken mit dem Geschäft der beiden Branchen verbunden sind. Flaut die Konjunktur weiter ab, wird sich das auch beim Verkauf von Autos und Versicherungsverträgen bemerkbar machen. Für vorsichtige Anleger empfehlen sich deshalb Aktienfonds, die weltweit breit gestreut anlegen.

RISIKEN

Die Wirtschaft hierzulande wird zwar in diesem Jahr deutlich stärker wachsen als 2013 (plus 0,1 Prozent), aber mit 1,2 bis 1,3 Prozent auch deutlich schwächer als erwartet. Bundesregierung, Sachverständige und Volkswirte haben ihre Schätzungen nach unten korrigiert. Und die Aussichten für 2015 sind unklar. Wichtige Indizien: Der Ifo-Index für die Geschäftserwartungen der Manager zeigt nach unten, ebenso der GfK-Konsumklimaindex. Und der ZEW-Index für die Stimmung der Finanzmarktexperten vermittelt auch alles andere als ein positives Bild. Auch die niedrige Preissteigerung und der stark gesunkene Ölpreis sind auf Dauer keine Stütze für die Wirtschaft insgesamt. Die Inflation ist so niedrig, dass auch Deflation und eine für die Wirtschaft fatale Preisspirale nach unten nicht ausgeschlossen werden können.

Aktienkurse werden an die niedrigeren Gewinnerwartungen angepasst

Aktien blieben zwar attraktiv, der Druck auf den Markt werde aber vorerst nicht nachlassen, weil „eine Neujustierung der Gewinnerwartungen in Anbetracht eines möglichen Konjunkturschocks“ notwendig sei, schreibt Mark Burgess, Chef-Anleger der großen Fondsgesellschaft Threadneedle in einem aktuellen Kommentar. Gingen diese Erwartungen an die künftigen Gewinne zurück, müssten die Aktienkurse angepasst werden, um die Bewertungen stabil zu halten.

Als Stabilitätsanker der Börsen hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) an Kraft verloren. Sie dürfte den Zins noch lange auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent halten und wird die Krise mit zusätzlichen Maßnahmen bekämpfen. Dazu wird, so Volkswirte, demnächst auch der umstrittene Kauf von Staatsanleihen – und womöglich auch von Unternehmensanleihen – zählen. Dagegen ist die US-Notenbank angesichts der anziehenden US-Konjunktur auf einem entgegengesetzten Kurs. Sie könnte schon im Frühjahr den Leitzins anheben. Das macht die Situation für Anleger unübersichtlich – und bringt mehr Unruhe in den Markt.

Dies, so schreibt J.P. Morgan Asset Management, stelle eine Rückkehr auf ein „normales Schwankungsniveau“ dar: „Die niedrige Volatilität über den Sommer wog Anleger in einer trügerischen Sicherheit“, meint Kapitalmarktstratege Tilmann Galler. „Nun, da die Schwankungsintensität wieder gestiegen ist, scheinen die Marktteilnehmer darauf nicht vorbereitet zu sein.“

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