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Wirtschaft: Auf der schiefen Bahn

Der Staat senkt die Investitionen in die Verkehrswege – mit massiven Folgen für die Industrie und die Autofahrer

Berlin - Die sinkenden Investitionen der öffentlichen Hand in die Verkehrswege gefährden nach Ansicht von Wirtschaftsverbänden und Verkehrsexperten zehntausende Arbeitsplätze. „Allein in der Bauwirtschaft stehen mittelfristig 30000 bis 50000 Stellen auf dem Spiel, wenn der Straßen- und Schienenbau wie geplant umgesetzt würde“, sagte Karl Robl, Hauptgeschäftsführer des BaugewerbeVerbandes ZDB, dem Tagesspiegel. Die Bahnindustrie klagt ebenfalls, jede zehnte ihrer rund 40000 Stellen sei bedroht.

Schon seit Jahren gehen die Ausgaben der öffentlichen Hand für Straße und Schiene zurück. Unlängst hat der Bund angekündigt, die Investitionen weiter zu drosseln. Allein 2004 fallen die Verkehrsinvestitionen mit knapp neun Milliarden Euro um fast 700 Millionen Euro niedriger aus als ursprünglich vorgesehen. Das liegt auch an den ausbleibenden Einnahmen durch die Lkw-Maut. Die Kommunen, mit derzeit 27 Milliarden Euro wichtigster Auftraggeber, senkten die Ausgaben für Baumaßnahmen in den vergangenen zehn Jahren um fast ein Fünftel.

Noch besorgter blickt die Baubranche auf die mittelfristige Finanzplanung des Bundes, die erst kürzlich revidiert wurde: Angesichts leerer Kassen will die Regierung bis 2008 mehr als fünf Milliarden Euro einsparen. Mit rund 3,5 Milliarden Euro besonders hart betroffen sind die Bahninvestitionen. „Im vergangenen Jahr sind schon rund 8000 Baufirmen Pleite gegangen“, sagte Robl. „Werden die Sparpläne umgesetzt, wird diese Zahl in den nächsten Jahren weiter wachsen.“

Eine aktuelle Entscheidung der Deutschen Bahn AG verschärft die Situation im Schienenbau noch: Sie hat einen Ausgabenstopp verhängt. Offiziell verweist der Konzern darauf, dass vor allem Sachkosten in der Verwaltung betroffen seien. Doch auch alle Investitionen in das Schienennetz der Deutschen Bahn werden noch einmal überprüft. Das geht aus einem internen Papier des Konzerns hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt (siehe Kasten). Vor dem geplanten Börsengang will Bahnchef Hartmut Mehdorn schwarze Zahlen präsentieren und versucht zu sparen, wo es geht. Nach Ansicht der Bauindustrie sind Investitionskürzungen bei der Bahn ein Fehler. „Sollte die Bahn jemals privatisiert werden, braucht sie ein intaktes Schienennetz“, sagt Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Nicht nur Baufirmen leiden unter den sinkenden Investitionen. Die Hersteller von Bahnen und deren Zulieferfirmen gerieten in eine immer schwierigere Lage, klagt Michael Clausecker, Hauptgeschäftsführer des Bahnindustrieverbandes VDB. Die Inlandsaufträge seien die wichtigsten Umsatzbringer. Die Aufträge aus dem Ausland hatten zwar in den vergangenen Jahren zugelegt – sind aber in diesem Jahr geschrumpft. Um die inländischen Investitionen anzukurbeln, appellierte Clausecker an die Bundesländer, die rund sieben Milliarden Euro an „Regionalisierungsmitteln“, die ihnen vom Bund jedes Jahr überwiesen werden, richtig und nicht wie bisher oft zweckentfremdet einzusetzen. Auf 20 bis 30 Prozent schätzte Clausecker den Anteil der umgeleiteten Mittel. „Die Mittel sollten jetzt in neue Verkehrsangebote, neue Fahrzeuge und Infrastrukturprojekte investiert werden“, sagt Clausecker.

Während die öffentliche Hand immer weniger in die Infrastruktur investiert, steigt das Verkehrsaufkommen stetig an. Nach Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums wird der Personenverkehr bis zum Jahr 2015 um 20 Prozent steigen, der Güterverkehr um 60 Prozent und der Transitverkehr sogar um 100 Prozent. „Wenn die Investitionen nicht wieder zunehmen, wird es im Straßennetz zu weiteren Engpässen kommen“, sagt Karl-Hans Hartwig, Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaften an der Universität Münster. Rund 30 Prozent der Fahrbahnen auf Bundesstraßen haben bereits jetzt einen „eingeschränkten Gebrauchswert“. Laut Hartwig gibt es zahlreiche gefährliche Abschnitte, an denen es fast täglich zu Staus kommt. Dazu zählen die Autobahn Hamburg-Bremen, der Raum München und das Ruhrgebiet. In jedem Jahr verursachten Verkehrsstaus für die Volkswirtschaft Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro – durch Zeitverlust, höheren Treibstoffverbrauch und Unfälle.

Als Ausweg aus der Misere schlägt Hartwig eine Maut für Pkw vor: „Die Einnahmen sollten dann zweckgebunden eingesetzt werden und nicht wie bei der Mineralölsteuer in den Bundeshaushalt fließen.“ Den Vorschlag des Verkehrswissenschaftlers hat die Politik bereits aufgegriffen. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, die CDU wolle im Fall einer Regierungsübernahme eine Maut für Pkw auf Autobahnen einführen.

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