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Wirtschaft: Auf die Strafzölle auf europäische Produkte reagieren die betroffenen Unternehmen unterschiedlich

Halbzeit im Handelsstreit. Die USA und Kanada liegen in Führung vor der Europäischen Union.

Halbzeit im Handelsstreit. Die USA und Kanada liegen in Führung vor der Europäischen Union. Die Welthandelsorganisation (WTO) hat vergangene Woche den beiden Staaten erlaubt, Strafzölle gegen die Mitgliedsländer der EU zu verhängen. Mit den Sanktionen sollen Einnahmeausfälle amerikanischer Unternehmen ausgeglichen werden, die durch das Importverbot der EU für hormonbehandeltes Rindfleisch entstanden sind. Insgesamt kommen auf die EU nun Strafzölle in Höhe von 116,8 Mill. US-Dollar (214,6 Mill. DM) und 11,3 Mill. Kanadischer Dollar (7,6 Mill. US-Dollar) zu. Großbritannien muss nichts zahlen, weil die Briten in der EU die Meinung der Amerikaner vertreten haben. Die Zölle entsprechen einem hundertprozentigen Aufschlag auf den Warenwert und machen die betroffenen Güter damit unverkäuflich.

Die "Retorsions"-Liste der USA ist lang. Sie umfasst 29 Gütergruppen, zur Hälfte etwa Fleisch und Fleischprodukte. Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) sind aus deutscher Sicht hauptsächlich Tierdärme, -blasen und -mägen, diverse Fruchtsäfte, Zwieback und geröstetes Brot, Suppen und Brühen, Auszüge aus gerösteten Zichorien sowie Senf durch den Strafzoll "gebannt". Und: ein industrielles Produkt, so genannte Viskose-Melange-Garne.

Für die Deutschen sind die Strafzölle aber kein Drama. Im Großen und Ganzen bleiben offizielle Stellen wie auch Unternehmen recht gelassen. "Einzelne Unternehmen wird es hart treffen, für die Branche insgesamt haben die Strafzölle eher geringe Auswirkungen", sagt BML-Sprecher Stefan Taxis. Die Zahlen geben ihm Recht. Deutschland und Frankreich tragen zwar mit je 27,9 Mill. Dollar die Hauptlast der Sanktionen. Gemessen an den deutschen Gesamtexporten in die USA sind jedoch nach Angaben des BML nur rund 0,08 Prozent von den Strafzöllen betroffen. Im EU-Durchschnitt sind es 0,09 Prozent. Den deutschen Agraraußenhandel belasten die Strafzölle zu etwa 3,8 Prozent.

Bei den betroffenen Unternehmen ist die Meinung gespalten - je nach Höhe der Exporte in die USA. "Eine spürbare Strafe sind die Strafzölle für uns momentan nicht", sagt Hartmut Lindner, Marketingleiter der Brandt-Gruppe. Der Zwiebackhersteller exportiert nur einen "sehr kleinen Anteil" der Produktion nach Übersee und hat sein haltbares Produkt zudem vor dem Einsetzen der Strafzölle auf Vorrat verschickt. Er kann wegen der Strafzölle mit den Achseln zucken. Für Erasco hingegen ist die Strafe ein schweres Joch. Das Suppenunternehmen sei "besonders hart betroffen": Bei Erasco hat der US-Export einen Anteil von rund 30 Prozent am Gesamtexport. Arbeitsplätze seien nicht in Gefahr. Da sieht es bei der Kulmbacher Spinnerei mit ihren Viskose-Melange-Garnen ganz anders aus. Der US-lastige Produktbereich wachse sehr stark, sagt Geschäftsführer Jürgen Knecht. Rund 4 Mill. DM bei 85 Mill. DM Umsatz entfielen darauf. Davon "hängen etwa zehn Arbeitsplätze ab", deutet Knecht Entlassungen unter den 415 Mitarbeitern an, "falls die Regelung in den nächsten drei Wochen nicht gekippt wird".

In Brüssel ist die Aufregung über die Strafzölle ähnlich groß. "Die Amerikaner kämpfen mit harten Bandagen", erklärt die EU-Kommission. Was die EU-Kommission nicht so gerne erklärt: Den Strafzöllen voraus ging ein Schiedsspruch der WTO, nach dem Brüssel den Import von Hormon-Rindfleisch bis zum 13. Mai des Jahres wieder hätte zulassen müssen. Nur ließ Brüssel den Termin verstreichen. Dahinter steckt eine grundsätzlich verschiedene Haltung von Europäern und Amerikanern beim Hormonfleisch: Diesseits des Atlantiks hält man die bei der Rinderzucht verwendeten Wachstumshormone für gesundheitsschädlich, jenseits des Atlantiks nicht. 1989 hat die EU den Import verboten. Daraufhin legten die USA und Kanada bei der WTO Beschwerde ein. Seitdem schlagen sich die Kontrahenten ihre Gutachten um die Ohren. Die EU hat wieder 17 Studien in Auftrag gegeben, die frühestens Ende des Jahres fertig sind. Noch immer fehlt aber nach Ansicht der WTO der Beweis für die Gesundheitsschädlichkeit - und das ist Brüssels Problem. Das Spiel Nordamerika gegen EU geht weiter: Die zweite Halbzeit im Handelsstreit ist in vollem Gange. Den Schlußpfiff erwarten Beobachter für die WTO-Ministerkonferenz, die Ende November in Seattle stattfindet. Ende offen.

Rüdiger Stahlschmidt

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