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Wohin? Der deutschen Wirtschaft geht es gut, aber die Schuldenkrise in Griechenland und Portugal trübt das Bild. Foto: dpa

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Wirtschaft: Auf einem schmalen Grat

Die Kurse sind ins Rutschen geraten. Pessimisten warnen vor dem Crash, Optimisten raten zum Einstieg

Berlin - Wer wissen will, wohin die Kurse deutscher Aktien steuern, muss nach New York schauen. Jeden Tag das gleiche Spiel: Schon am Morgen, wenn an der Wall Street noch alle schlafen, hängt sich der Deutsche Aktienindex (Dax) an die amerikanischen Frühindikatoren. Sie geben – Stunden, bevor an der US-Börse der Handel beginnt – einen Hinweis darauf, wie die größte Börse der Welt die wichtigsten Nachrichten verarbeiten wird: News aus den USA vom Vortag, Ereignisse in der Nacht aus Asien und Meldungen aus Europa. Im Sekundentakt steigt und fällt die Fieberkurve – und der Dax steigt und fällt im Gleichschritt mit.

Zuletzt ging es vor allem nach unten. Dabei erreichten die Aktienindizes Punktestände, die Experten gern als „psychologisch wichtig“ bezeichnen. Dahinter steckt eine Warnung: Geht es weiter bergab – beim Dax unter 7240 Punkte, beim Dow Jones unter 12 450 Punkte –, müssen sich Anleger auf eine wochenlange Talfahrt einstellen. Der Aufschwung in der Realwirtschaft, an der Börse wäre er schon wieder vorbei.

Der Dax ist bereits um 300 Zähler von seinem Jahreshoch bei 7600 Punkten abgerutscht. „Den Aktienmärkten fehlt dieser Tage der Treibstoff, um neue Kursgipfel zu erklimmen“, analysiert Daniel Schär von der Berliner Weberbank. Und weil es wenig eigene Impulse gibt, hoffen die Börsianer auf Orientierung an der Wall Street. Bis Anfang Mai wurde auch der heimische Markt stimuliert: Den Beweis, dass es der deutschen Wirtschaft glänzend geht, erbrachten die Berichte zum ersten Quartal. Ein gutes Drittel der deutschen Unternehmen hat die ohnehin schon positiven Erwartungen für das laufende Jahr nochmals angehoben. Aber wie geht es mit den Aktien weiter?

Das Verhältnis von Unentschiedenen, Bullen und Bären (Optimisten und Pessimisten) ist fast ausgeglichen. „Auffällig“ findet Christin Stock von der Marktforschungsfirma Cognitrend, dass die mittelfristig orientierten Anleger sich nicht zu neuen Käufen haben verlocken lassen – trotz gesunkener Preise. Ein schlechtes Zeichen. Cognitrend fragt Fonds und Vermögensverwalter, wie sie die Börsenlage einschätzen. Das Lager der Unsicheren ist vergangene Woche gewachsen. „Aber sie haben sich längst noch nicht verschrecken oder gar von den Aktienmärkten vertreiben lassen“, weiß Stock. Ein gutes Zeichen. Doch wer gibt den Ton an?

Die Experten der Bank of America/Merrill Lynch haben beobachtet, dass die milliardenschweren Geldmanager der US- Fonds die Aussichten für Europas Wirtschaft inzwischen wieder pessimistisch sehen. Die Schuldenkrise in Griechenland und Portugal macht auch die Amerikaner nervös – obwohl der US-Schuldenberg schon genug Stoff für einen Börsencrash liefern würde. „Tick Tack, Tick Tack … unaufhörlich und ohne Gnade tickt die Schuldenuhr“, intoniert die Weberbank ihre aktuelle Marktstudie. Ein Patentrezept zur Lösung der Probleme gebe es nicht. Bisher habe man auf Zeit gespielt. „Das trägt nicht zur Beruhigung der Kapitalmärkte bei“, schreiben die Banker.

Hinzu kommt der Schock, den der Preisverfall an den Rohstoffmärkten vor zwei Wochen verursacht hat. Experten sind sich uneins, ob er eine ernst zu nehmende Konjunkturabschwächung eingeläutet hat. Hinweise erhoffen sich Investoren von der zweiten Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt der USA an diesem Donnerstag. Bereits am Dienstag könnte der Ifo-Index am deutschen Markt für Turbulenzen sorgen, wenn er erneut sinkt.

Berufsoptimisten halten sich lieber an die guten Nachrichten. Etwa an den furiosen Börsengang des Online-Netzwerks Linked-In am vergangenen Donnerstag. Die Investoren waren so heiß auf Aktien der Plattform, dass sich der Börsenwert von Linked-In am ersten Handelstag mehr als verdoppelte. Eine Einladung für den 24. Mai, wenn der weltgrößte Rohstoffhändler Glencore an die Börse geht. Gelingt auch dieser, könnten sich die Szenarien der Optimisten vielleicht bewahrheiten. Die DZ Bank etwa sieht den Dax – der sich seit März 2009 verdoppelt hat – in einem Jahr bei 8400 Punkten. Die Banker raten seit einigen Wochen zum Einstieg.

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