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Wirtschaft: Auf Jobsuche mit dem Arbeitsminister

Wie Walter Riester arbeitslosen Marzahnern die Zukunft der Stellenvermittlung schmackhaft machen will

Von Alexander Visser

Sie lösen einfach eine Stellenanzeige von der Wand und kopieren sie. Sie können auch gleich von hier aus beim Arbeitgeber anrufen oder ein Fax schicken,“ erklärt der Mitarbeiter der Arbeitsvermittlung eifrig. Jobvermittlung ohne Anmeldung und Bürokratie. So wie in diesem so genannten „Job Point“ soll der Bundesregierung zufolge die Zukunft der Arbeitsämter aussehen. Und weil sich Minister gerne mit zukunftsweisenden Modellprojekten identifizieren, hat Bundesarbeitsminister Walter Riester den Job Point am Donnerstag als Startpunkt für seinen Wahlkampftermin im Berliner Problemstadteil Marzahn ausgesucht. Zusammen mit Familienministerin Christine Bergmann, Direktkandidatin in Hellersdorf-Marzahn, will er Stimmen für die SPD sammeln.

Der Job Point wurde nach dem Vorbild der dänischen „Job butikken“ entwickelt. Die Arbeitssuche soll nicht mehr mit einem Gang zu einer Behörde verbunden sein. Das Büro liegt in einer Einkaufspassage, der Plaza Marzahn. Wie beim Shopping blicken Arbeitssuchende ins Schaufenster des „Job Point“, um vielleicht ein verlockendes Arbeitsangebot zu entdecken. An den Stellwänden hängen viele Dutzend Stellenanzeigen, präsentiert wie Mallorca-Kurztrips im Reisebüro. Die helle Einrichtung im skandinavischen Ikea-Stil vermittelt eine angenehmere Atmosphäre, als ein gebonerter Warteflur im Arbeitsamt.

„Wie erfolgreich der Job Point ist, sehen Sie daran, dass er seit Dezember 2000 rund 3800 Stellen vermitteln konnte“, sagt Wilhelm Lutz, Präsident des Berliner Unternehmerverbandes, der an der Gründung beteiligt war. „Dabei haben wir sogar mehr als doppelt so viele Stellen angeboten. Wir konnten gar nicht alle besetzen“, erklärt Lutz dem Minister. Die zufällig anwesenden Arbeitssuchenden flüchten derweil vor dem plötzlichen Medientrubel. „Wahlkampf-Zirkus“ schimpft eine 58-jährige Arbeitslose, die ihren n nicht nennen will. Sie ist aus Hohenschönhausen gekommen, um mit ihrem Mann und einem befreundeten Paar im „Job Point“ nach Arbeit zu suchen. „Ich habe mir einige Anzeigen kopiert“, sagt der Mann. „Aber sehen sie mal: Pizza ausfahren für vier Euro die Stunde, davon kann man doch nicht leben.“ Bei den meisten Job-Offerten heißt es in der Rubrik Gehalt/Lohn lapidar „nach Vereinbarung“. Eine Vollzeitstelle unter der Bezeichnung Lymphdrainage verspricht einen Lohn in Höhe von 1176 Euro, ab sofort.

Der Minister eilt zum nächsten Termin: Diskussionsrunde zu den Reformplänen der Hartz-Kommission im Freizeitforum der Marzahner Promenade. Die Läden in der Gegend heißen Mäc Geiz („Entdecke schottische Sparsamkeit“) oder Komma 10 („Es ist verdammt hart, der billigste zu sein“). Der A-Z Elektronikladen hat geschlossen. Ein Stadteil ohne Kaufkraft, den bisher Gregor Gysi (PDS) im Bundestag vertreten hat.

Über eine Stunde räumt der Minister ein, dass bei der Jobvermittlung bisher nicht alles optimal lief. Nach den Hartz-Plänen werde Arbeit aber unbürokratisch und flexibler vermittelt: Beispiel „Job Point“. Die über 100 Besucher hören dem Minister und den Experten lange höflich zu, viele machen sich Notizen. „Ich war im Job Point“, ruft schließlich ein Mann, Ende 50, dazwischen. „Bei den Stellen heißt es immer: keine Vorkentnisse erforderlich. Aber die Bezahlung ist doch sittenwidrich.“ Walter Riester äußert Verständnis. Aber die Regierung könne nicht künstlich Stellen schaffen: „Man muss nun mal zwischen Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungspolitik unterscheiden.“

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